460 Schlußakte der Zweiten internationalen Friedenskonferenz (1907).
Dieselbe Person kann von verschiedenen Mächten benannt werden.
Die Mitglieder des Schiedshofs werden für einen Zeitraum von sechs Jahren
ernannt. Ihre Wiederernennung ist zulässig.
Im Falle des Todes oder des Ausscheidens eines Mitglieds des Schiedahofe
erfolgt sein Ersatz in der für seine Ernennung vorgesehenen Weise und für einen
neuen Zeitraum von sechs Jahren.
Art.45. Wollen die Vertragsmächte sich zur Erledigung einer unter ihnen
entstandenen Streitfrage an den Schiedshof wenden, so muß die Auswahl der Schieds-
richter, welche berufen sind, das für die Entscheidung dieser Streitfrage zu-
ständige Schiedsgericht zu bilden, aus der Gesamtliste der Mitglieder des Schieds-
hofs erfolgen.
In Ermangelung einer Bildung des Schiedsgerichts mittels Verständigung
der Parteien wird in folgender Weise verfahren:
Jede Partei ernennt zwei Schiedsrichter, von denen nur einer ihr Staats-
angehöriger sein oder unter den von ihr benannten Mitgliedern des Ständigen
Schiedshofs ausgewählt werden darf. Diese Schiedsrichter wählen gemeinschaftlich
einen Obmann.
Bei Stimmengleichheit wird die Wahl des Obmanns einer dritten Macht
anvertraut, über deren Bezeichnung sich die Parteien einigen.
Kommt eine Einigung hierüber nicht zu stande, so bezeichnet jede Partei
eine andere Macht, und die Wahl des Obmanns erfolgt durch die so bezeichneten
Mächte in Übereinstimmung.
Können sich diese beiden Mächte binnen zwei Monaten nicht einigen, so
schlägt jede von ihnen zwei Personen vor, die aus der Liste der Mitglieder des
Ständigen Schiedshofs, mit Ausnahme der von den Parteien benannten Mitglieder,
genommen und nicht Staatsangehörige einer von ihnen sind. Das Los bestimmt,
welche unter den so vorgeschlagenen Personen der Obmann sein soll.
Art.46. Sobald das Schiedsgericht gebildet ist, teilen die Parteien dem
Bureau ihren Entschluß, sich an den Schiedshof zu wenden, den Wortlaut ihres
Schiedsvertrags und die Namen der Schiedsrichter mit.
Das Bureau gibt unverzüglich jedem Schiedsrichter den Schiedsvertrag
und die Namen der übrigen Mitglieder des Schiedsgerichts bekannt.
Das Schiedsgericht tritt an dem von den Parteien festgesetzten Tage zu-
sammen. Das Bureau sorgt für seine Unterbringung.
Die Mitglieder des Schiedsgerichte genießen während der Ausübung ihres
Amtes und außerhalb ihres Heimatlandes die diplomatischen Vorrechte und
Befreiungen.
Art.47. Das Bureau ist ermächtigt, sein Geschäftslokal und seine Ge-
schäftseinrichtung den Vertragsmächten für die Tätigkeit eines jeden besonderen
Schiedsgerichts zur Verfügung zu stellen.
Die Schiedsgerichtsbarkeit des Ständigen Schiedshofs kann unter den durch
die allgemeinen Anordnungen festgesetzten Bedingungen auf Streitigkeiten zwi-
schen anderen Mächten als Vertragsmächten oder zwischen Vertragsmächten
und anderen Mächten ‚erstreckt werden, wenn die Parteien übereingekommen
sind, diese Schiedsgerichtsbarkeit anzurufen.
Art.48. Die Vertragsmächte betrachten es als Pflicht, in dem Falle, wo
ein ernsthafter Streit zwischen zwei oder mehreren von ihnen auszubrechen droht,
diese daran zu erinnern, daß ihnen der Ständige Schiedshof offen steht.
Sie erklären demzufoıge, daß die Handlung, womit den im Streite befind-
lichen Teilen die Bestimmungen dieses Abkommens in Erinnerung gebracht
werden, und der im höheren Interesse des Friedens erteilte Rat, sich an den
Ständigen Schiedshof zu wenden, immer nur als Betätigung guter Dienste angesehen
werden dürfen.
Im Falle eines Streites zwischen zwei Mächten kann stets eine jede von
ihnen an das Internationale Bureau eine Note richten, worin sie erklärt, daß sie
bereit sei, den Streitfall einer Schiedssprechung zu unterbreiten.
Das Bureau hat die Erklärung sogleioh zur Kenntais der andern Macht
zu bringen.