476 Schlußakte der Zweiten Internationalen Friedenskonferenz (1907).
Art.43. Nachdem die gesetzmäßige Gewalt tatsächlich in die Hände des
Besetzenden übergegangen ist, hat dieser alle von ihm abhängenden Vorkeh-
zu treffen, um nach Möglichkeit die öffentliche Ordnung und das öffentliche
Leben wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten, und zwar, soweit kein zwin-
gendes Hindernis besteht, unter Beachtung der Landesgesetze.
Art. 44. Einem Kriegführenden ist es unters die Bevölkerung eines
besetzten Gebiets zu zwingen, Auskünfte über das Heer anderen Kriegführenden
oder über dessen Verteidigungsmittel zu geben.
Art.45. Es ist untersagt, die Bevölkerung eines besetzten Gebiets zu zwingen,
der feindlichen Macht den Treueid zu leisten.
Art.46. Die Ehre und die Rechte der Familie, das Leben der Bürger und
das Privateigentum sowie die religiösen Überzeugungen und gottesdienstlichen
Handlungen sollen geachtet werden.
Das Privateigentum darf nicht eingezogen werden.
Art.47. Die Pründerung ist ausdrücklich untersagt.
Art.48. Erhebt der Besetzende in dem besetzten Gebiete die zugunsten
des Staates bestehenden Abgaben, Zölle und Gebühren, so soll er es möglichst
nach Maßgabe der für die Ansetz und Verteilung geltenden Vorschriften tun;
es erwächst damit für ihn die Verpflichtung, die Kosten der Verwaltung des be-
setzten Gebiets in dem Umfange zu tragen, wie die gesetzmäßige Regierung
hierzu verpflichtet war.
Art.49. Erhebt der Besetzende in dem besetzten Gebiet außer den im
vorstehenden Artikel bezeichneten Abgaben andere Auflagen in Geld, so darf
dies nur zur Deckung der Bedürfnisse des Heeres oder der Verwaltung dieses
Gebiete geschehen.
Art.50. Keine Strafe in Geld oder anderer Art darf über eine ganze Be-
völkerung wegen der Handungen einzelner verhängt werden, für welche die
Bevölkerung nicht als mitverantwortlich angesehen werden kann.
Art. 5l. Zwangsauflagen können nur auf Grund eines schriftlichen Befehls
und unter Verantwortlichkeit eines gelbständig kommandierenden Generals er-
hoben werden.
Die Erhebung soll so viel wie möglich nach den Vorschriften über die An-
setzung und Verteilung der bestehenden Abgaben erfolgen.
ber jede auferlegte Leistung wird den Leistungspflichtigen eine Empfangs-
bestätigung erteilt.
Art.52. Naturalleistungen und Dienstleistungen können von Gemeinden
oder Einwohnern nur für die Bedürfnisse des Besetzungsheers gefordert werden.
Sie müssen im Verhältnisse zu den Hilfsquellen des Landes stehen und solaher
Art sein, daß sie nicht für die Bevölkerung die Verpflichtung enthalten, an Kriegs-
unternehmungen gegen ihr Vaterland teilzunehmen.
Derartige Natural- und Dienstleistungen können nur mit Ermächtigung
des Befehlshabers der besetzten Örtlichkeit gefordert werden.
Die Naturalleistungen sind so viel wie möglich bar zu bezahlen. Anderen-
falls sind dafür Empfangsbestätigungen auszustellen ; die Zahlung der geschuldeten
Summen soll möglichst bald bewirkt werden.
Art.53. Das ein Gebiet besetzende Heer kann nur mit Beschlag belegen: das
bare Geld und die Wertbestände des Staates sowie die dem Staate zustehenden ein-
treibbaren Forderungen, die Waffenniederlagen, Beförderungsmittel, Vorrats-
häuser und Lebensmittelvorräte sowie überhaupt alles bewegliche Eigentum
des Staates, das geeignet ist, den Kriegsunternehmungen zu dienen.
Alle Mittel, die zu Lande, zu Wasser und in der Luft zur Weitergabe von
Nachrichten und zur Beförderung von Personen oder Sachen dienen, mit Aus-
nahme der durch das Seerecht geregelten Fälle, sowie die Waffenniederlagen und
überhaupt jede Art von Kriegsvorräten können, selbst wenn sie Privatpersönen
gehören, mit Beschlag belegt werden. Beim Friedensschlusse müssen sie aber
zurückgegeben und die Entschädigungen geregelt werden.
Art.54. Die unterseeischen Kabel, die ein besetztes Gebiet mit einem
neutralen Gebiete verbinden, dürfen nur im Falle unbedingter Notwendigkeit