XII. Abkommen (Internationaler Prisenhof). Vom 18. Oktober 1907. 495
XI. Abkommen über die Errichtung eines Internationalen Prisenhofs.!)
Seine Majestät der Deutsche Kaiser, König von Preußen, usw.
von dem Wunsche beseelt, die Streitigkeiten, die bisweilen im Falle eines See-
kriegs aus Anlaß der Entscheidungen der nationalen Prisengerichte entstehen,
in billiger Weise zu regen,
von der Absicht ausgehend, daß es, wenngleich diese Gerichte auch weiterhin
nach den Vorschriften ihrer Gesetzgebung urteilen sollen, doch von Wert ist, in
bestimmten Fällen einen Rekurs zuzulassen unter Bedingungen, welche die bei
jeder Prisensache beteiligten öffentlichen und privaten Interessen soweit wie
möglich miteinander in Einklang bringen,
in der Erwägung andererseits, daß die Errichtung eines Internationalen Prisen-
hofs mit sorgfältiger Regelung seiner Zuständigkeit und seines Verfahrens als das
beste Mittel zur Erreichung dieses Zieles erschienen ist,
in der Überzeugung endlich, daß auf diese Art die harten Folgen eines See-
kriegs gemildert werden können, daß insbesondere die guten Beziehungen zwischen
den Kriegführenden und den Neutralen mehr Aussicht auf Bestand haben, und
daß so die Erhaltung des Friedens besser gesichert sein wird,
von dem Wunsche geleitet, zu diesem Zwecke ein Abkommen zu schließen,
haben zu Ihren Bevollmächtigten ernannt:
(Bezeichnung der Bevollmächtigten)
welche, nachdem sie ihre Vollmachten hinterlegt und diese in guter und gehöriger
Form befunden haben, über folgende Bestimmungen übereingekommen sind:
Erster Titel. Allgemeine Bestimmungen.
Art.1. Die Rechtmäßigkeit der Wegnahme eines Kauffahrteischiffs oder
seiner Ladung ist, wenn es sich um neutrales oder feindliches Eigentum handelt,
vor einer Prisengerichtebarkeit nach Maßgabe dieses Abkommens darzutun.
Art.2. Die Prisengerichtsbarkeit wird zunächst durch Prisengeriohte der
nehmenden Kriegsmacht ausgeübt.
Die Entscheidungen dieser Gerichte werden in öffentlicher Sitzung ver-
kündet und von Amts wegen den neutralen oder feindlichen Parteien zugestellt.
Art.3. Die Entscheidungen der nationalen Prisengeriohte können ‚Gegen-
stand eines Rekurses an den Internationalen Prisenhof sein:
l. wenn die Entscheidung der nationalen Gerichte das Eigentum einer
neutralen Macht oder "Privatperson betrifft;
2. wenn diese Entscheidung feindliches Eigentum betrifft und es sich
handelt
a) um Güter, die auf einem neutralen Schiffe verfrachtet sind,
b) um ein feindliches Schiff, das in den Küstengewässern einer neutralen
Macht weggenommen worden ist, falls nicht diese Macht die Weg-
nahme zum Gegenstand einer diplomatischen Reklamation ge-
macht hat,
c) um einen Anspruch auf Grund der Beheuptun ‚ daß die Wegnahme
unter Verletzung einer zwischen den kri en Mächten geltenden
Vertragsbestimmung oder einer von der . nohmenden Kriegsmacht
erlassenen Rechtsvorschrift bewirkt worden ist.
Der Rekurs gegen die Entscheidung der nationalen Gerichte kann darauf
gestützt werden, daß die Entscheidung in tatsächlicher oder in rechtlicher Hin-
sicht unrichtig ist.
Art.4. Der Rekurs kann eingelegt werden:
l. von einer neutralen Macht, wenn die Entscheidung der nationalen Gerichte
ihr Eigentum oder das ihrer Angehörigen betroffen hat (Artikel 3 Nr. 1)
oder wenn behauptet wird, daß die Wegnahme eines feindlichen Schiffes
in den Küstengewässern dieser Macht erfolgt ist (Artikel 3 Nr. 2b);
2. von einer neutralen Privatperson, wenn die Entscheidung der nationalen
Gerichte ihr Eigentum betroffen hat (Artikel 3 Nr. 1), wobei jedoch
1) Im BR. G.Bl. nicht abgedruckt, da die Ratifikationen bis nach Regelung des Soekriegsrechte
aungenctzt wurden. Daher zählt das B. G. Bi. das XIII. Abkommen der Schlussakte als XII. Ab»
ommen,