38 Einleitung.
„uneingeschränkten“ Tauchbootkrieg vom 31. Januar 1917 gab den
Vereinigten Staaten den Anlaß, zunächst die diplomatischen Beziehungen
zum Deutschen Reich abzubrechen, dann aber (6. April 1917) als krieg-
führender Staat an dem Weltkrieg sich zu beteiligen. China, Siam, Bra-
silien, Kuba, Haiti, Liberia und andere ‚Mächte‘ folgten dem Druck
der Vereinigten Staaten. Griechenland schloß sich nach der Vertreibung
des Königs Konstantin (11.Juni 1917) dem Verbande an. Der Brand
hat die ganze bewohnte Erde ergriffen. Wann und wie der Weltkrieg
enden und welchen Einfluß der kommende Friedensschluß auf die künf-
tigen Beziehungen der Staaten zueinander haben wird, steht heute noch
dahin.
8 4. Die Wissenschaft des Völkerrechts.
I. Die Stellung des Völkerrechts Innerhalb des Rechtssystems.
Das Völkerrecht ist ein selbständiges Glied .des Rechtssystems.
Als zwischenstaatliches Recht tritt es dem staatlichen Recht in
seinen beiden Hauptzweigen, dem öffentlichen Recht wie dem Privat-
recht gegenüber; doch ist es jenem näher verwandt als diesem. Das
schließt nicht aus, daß die reiche Gedankenarbeit des Privatrechts nicht
auch für das Völkerrecht verwertet werden könntet). Doch handelt es
sich dabei in Wahrheit um die Herausbildung allgemeiner, allem Recht
gemeinsamer Begriffe und Grundsätze (allgemeine Rechtslehre). Frei-
lich ist zu beachten, daß gerade im Völkerrecht die rechtlich geregelten
Lebensbeziehungen im steten Fluß der Entwicklung begriffen, teilweise
plötzlicher, revolutionärer Wmgestaltung unterworfen sind, so Jaß die
starre Statik der juristischen Begriffe durch eine elastische Dynamik
ersetzt werden muB (vgl. unten III. Buch Vorbemerkung).
II. Die Eintellung meiner Darstellung.
In der nachfolgenden Darstellung, die vier Bücher umfaßt, wird ein
allgemeiner und ein besonderer Teil des Völkerrechts unterschieden.
Das erste Buch des allgemeinen Teiles behandelt die Rechtsstellung der
Staaten, als der Rechtssubjekte des völkerrechtlichen Staa-
tenverbandes, zueinander. Das zweite Buch bespricht den völker-
rechtlichen Verkehr innerhalb des Staatenverbandes im allge-
meinen, abgesehen also von dem Inhalt der völkerrechtlichen Be-
ziehungen; er zerfällt in vier Abschnitte, deren erster den Grundsatz der
Verkehrsfreiheit, deren zweiter die nationalen Organe des völkerrecht-
lichen Verkehrs, deren dritter die Organisation des Staatenverbandes,
deren vierter die völkerrechtlichen Rechtsverhältnisse bespricht. Für
den besonderen Teil ergibt sich die Gliederung durch den tiefgreifenden
Unterschied, den Krieg und Frieden in den völkerrechtlichen Be-
1) Sehr beachtenswerte Anregungen bei Hedemann, Blätter für Rechts-
pflege in Thüringen und Anhalt LXTII 97.