Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

46 I. Buch. Die Rechtssubjekte des völkerrechtlichen Staatenverbands. 
III. Ein Staat ist entstanden, sobald alle drei Merkmale des Staatsbegriffes 
gegeben sind; er ist untergegangen, sobald eines von ihnen hinwegfällt. 
1. Die Entstehung eines Staates kann nur auf dem Willens- 
entschluß seiner Bürger, niemals auf fremdem Willen oder auf Natur- 
ereignissen beruhen. Die Durchsetzung des auf Staatsbildung gerichteten 
Willens kann auf friedlichem oder auf kriegerischem Wege erfolgen. 
Ein Staat kann entstehen durch Besiedlung eines bisher unbewohnten 
Gebietes. So wurde die Neger-Republik Liberia 1821 durch Besiedlung 
mit freigelassenen Negern gegründet (1847 als unabhängiger Staat an- 
erkannt); die ehemalige südafrikanische Republik ist 1837 durch hol- 
ländische Buren besiedelt worden. Ein Staat kann ferner entstehen 
durch friedliche Loslösung oder durch erfolgreichen Unabhängigkeits- 
kampf eines Gebietsteils gegen das Mutterland;; so verdanken Griechen- 
land, Belgien, Serbien, Rumänien wie die amerikanischen Staaten dem 
bewaffneten Aufstand ihre Selbständigkeit, die dann auch von den übri- 
gen Mächten anerkannt wurde. Die Bildung eines neuen Staates kann 
aber auch dadurch erfolgen, daß mehrere Staaten sich zum Einheits- 
staat oder zu einem zusammengesetzten Staate verbinden; das nächst- 
liegende Beispiel bietet die Gründung des Deutschen Reichs. 
2. Auch der Untergang eines Staates kann auf friedlichem 
oder auf kriegerischem Wege erfolgen. Er kann auf dem Willen seiner 
Bürger beruhen; so auf der Auswanderung sämtlicher Angehöriger (z.B. 
eines Inselstaates). In der absoluten Monarchie entscheidet der Wille 
des Monarchen (Kongostaat 1908). Ungleich häufiger ist die Spaltung 
eines bestehenden Staates; so ist der Einheitsstaat Österreich durch den 
Ausgleich von 1867 zum Doppelstaat Österreich-Ungarn geworden; 
Schweden und Norwegen haben 1905 die zwischen ihnen bestehende 
Union gelöst. 
Der Untergang eines Staates kann aber auch durch den Willen 
eines fremden Staates, namentlich durch Waffengewalt, herbeigeführt 
werden: so sind 1866 Hannover, Kurhessen, Nassau und die freie Stadt 
Frankfurt durch kriegerische Eroberung als selbständige Staaten ver- 
nichtet worden. 
IV. Ein Staat, der neu entstanden ist oder bisher der Völkerrechts- 
gemeinschaft noch nicht angehört hat, bedarf, um völkerrechtliches Rechts- 
subjekt zu werden, der Anerkennung (reconnaissance) durch die übrigen 
Mächte.”) 
7) Vgl. unten $21 IV3. — Le Normand, La reconnaissance internat. 
et ses diverses applications. 18989. Lorimer, R.J. XVI333. Heilborn, R.G. 
111179. Nys 169. Oppenheim I116. — Gareis 64, Ullmann 125, Heil- 
born bei Stier-Somlo Il 8. 58 (dieser im Gegensatz zu seiner früheren Ansicht) 
legen der Anerkennung lediglich deklaratorische Bedeutung bei.
	        
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