Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

56 I. Buch. Die Rechtssubjekte des völkerrechtlichen Staatenverbands. 
Die dauernde Neutralisierung unabhängiger Staaten, verschieden 
von der unten ($ 40 I) zu besprechenden Befriedung von Staats- 
teilen, findet sich erst seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts (zuerst 
dio Neutralisation von Malta durch den Frieden von Amiens 1802). 
Sie verfolgt in erster Linie den Zweck, den neutralisierten Staat mm 
allgemeinen Interesse vor den Einverleibungsgelüsten der benachbarten 
Staaten sicherzustellen. In diesem Sinne kann man den neutralisierten 
Staat auch als „Pufferstaat‘ („Etat tampon“ nach dem von Thiers 
eingeführten Ausdruck) bezeichnen. Die Neutralisierung beruht auf 
einer Vereinbarung des neutralisierten Staates mit den übrigen Mäch- 
ten und begründet ein dauerndes Rechtsverhältnis zwischen den be- 
teiligten Staaten. Einseitige Erklärung eines Staates vermag dieses 
Rechtsverhältnis nicht zu schaffen. 
Die dauernde Neutralität bindet zunächst den neutralisierten 
Staat insoweit, als er nicht nur Angriffskriege nicht führen darf, 
sondern auch im Frieden eine völlig neutrale Politik beobachten muß 
und insbesondere keine Verträge schließen darf, die ihn (wie Bünd- 
nisse und Garantieverträge) zur Kriegführung verpflichten können (ab- 
weichend, daher völkerrechtswidrig, die Haltung Belgiens seit den 
Vereinbarungen zwischen dem Chef des belgischen Generalstabes urd 
dem englischen Militärattache in Brüssel von 1906). Zwar ist die von ihm 
vorgenommene Kriegserklärung nicht etwa nichtig, sondern sie hat alle 
die Rechtswirkungen, die durch die Kriegserklärung von seiten eines nicht 
neutralisierten Staates erzeugt werden (unten 839 V); wohl aber befreit sie, 
wie jedc Verletzung der dem Staat auferlegten Neutralität, die garan- 
ticrenden Staaten von der von ihnen übernommenen Verpflichtung 
und berechtigt sie zum Einschreiten gegen den neutralisierten Staat. 
Die Neutralisierung nimmt dem Staate mithin eines seiner wichtigsten 
Rechte; am tiefsten greift sie in seine politische Aktionsfreiheit ein, 
wenn sie ihm, was freilich nur bezüglich Luxemburgs geschehen ist, 
zugleich die Entwaffnung (mit Schleifung der Festungen) auferlegt !?). 
(such in deutscher Übersetzung mit Geleitwort von Kohler. 1916). Waxweiler, 
Hat Belgien sein Schicksal verschuldet? 1915. Derselbe, Le proc&s de la neu- 
tralit€ beige. 1916. Fuehr, The neutrality of Belgium. 1915. Blocher, Bel- 
gische Neutralität und schweizerische Neutralität. 6. Aufl. 1916. Labberton, 
Die sittliche Berechtigung der Verletzung der belgischen Neutralität. Übersetzt 
von Rüggebach. 1916. Vischer, La Belgique et les juristes allemands.. 1916. 
Strupp, Die Neutralisation und die Neutralität Belgiens (Urkundenbuch mit 
Einleitung). 1917. — La neutralit6 de la Belgique. Amtliche Ausgabe der bel- 
gischen Regierung. Mit Vorwort von Hymans. Ohne Jahr. 
19) Maßnahmen zur Verteidigung der Grenze sind zulässig. Sie dürfen aber 
nicht (wie die Brialmontschen Befestigungswerke in Belgien) einseitig gegen einen 
der Nachbarn gerichtet sein. Die Befestigung von Antwerpen steht überdies im 
flagranten Widerspruch zu den Verträgen von 1839.
	        
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