Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

8 6. Die völkerrechtliche Handlungsfähigkeit. 57 
Im übrigen beläßt sie ihm die völkerrechtliche Handlungsfähigkeit un- 
eingeschränkt. | 
Die dauernde Neutralisierung bindet aber ferner die anderen 
Staaten; und zwar nicht nur diejenigen, welche die Neutralisierung 
vereinbart haben, sondern auch alle übrigen, soweit sie, sei es aus- 
drücklich, sei es auch nur stillschweigend (unten $ 21 III) ihre Zu- 
stimmung erteilt haben. Verletzung der Neutralität durch die Krieg- 
führenden erscheint mithin als völkerrechtliches Delikt und berechtigt 
die Mächte zum Einschreiten gegen den Friedenstörer. 
Ganz besonders aber bindet die Neutralisierung die Garantie- 
mächte; d. h. diejenigen Staaten, die sich verpflichtet haben, die 
Integrität des (rebietes des neutralisierten Staates zu schützen und 
wenn nötig mit Waffengewalt zu verteidigen. Soweit diese Sicherung 
als Kollektivgarantie (unten $ 23 II) zugesagt ist, verpflichtet sie die 
Mächte allerdings nur zu gemeinsamer Intervention, berechtigt aber 
jede von ihnen zu einseitigem Einschreiten. 
Durch die vertragsmäßige Neutralisierung wird ein völkerrecht- 
liches Rechtsverhältnis geschaffen, das nur unter Zustimmung aller 
beteiligten Staaten geändert oder aufgelöst werden kann. Daher kann 
der neutralisierte Staat nicht durch einseitige Erklärung seine Neu- 
tralisierung aufgeben; es darf auch keiner derjenigen Staaten, welche 
die Neutralisierung unter sich vereinbart haben, von dieser Verein- 
barung willkürlich zurücktreten. Gebietserweiterungen des neutrali- 
sierten Staates bedürfen der Genehmigung der übrigen Staaten, nament- 
lich der Garantiemächte, deren Verpflichtung nicht durch einseitigen 
Akt jenes Staates erweitert werden kann. Anders (sehr bestritten) liegt 
es bei kolonialen Erwerbungen des .neutralisierten Staates; diese be- 
dürfen der Genehmigung nicht, aber die Verpflichtung der garantierenden 
Mächte erstreckt sich nicht auf sie?°). 
Dauernd neutralisierte Staaten sind: 
1’ Die Schweiz, deren stets bewährte neutrale Haltung durch die 
Erklärung der Großmächte vom 20. November 1815 (Fleischmann S. 23), 
mit Kollektivgarantie der Großmächte anerkannt, nicht neugeschaffen 
wurde. Über die Ausdehnung der Neutralisierung auf Chablai und Fau- 
cigny vgl. unten $8III3. 
2. Belgien, dessen Neutralisierung zuerst durch Vertrag der Groß- 
mächte vom 15. November 1831, dann durch die an dessen Stelle 
tretenden Verträge der Großmächte mit Belgien und den Niederlanden 
20) Über Belgien und den Kongostaat vgl. Nys, R.J. XXXIIIl, R.G. 
1409, insbes. 417. Fauchille, R.G. II427. Graux, R.J. XXXVII 33, 
v.Stengel, R. J. XXXVII416. Richter 89. Besonders aber Descamps (oben 
Notel8). Bedenklich jedenfalls die 1908 erneute Einräumung des schon 1884 
gewährten Vorkaufsrechts an Frankreich durch das neutralisierte Belgien.
	        
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