Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

8 9. Der Umfang des Staatsgebietes. 79 
1. Küstengewässer nennt man denjenigen Teil der offenen See, den der 
Ulerstaat von der Küste aus ständig zu beherrschen vermag. 
Die Bestimmung der Grenzlinie der Küstengewässer ist bestritten. 
Die ältere Literatur ließ die Tragweite der auf dem Trockenufer auf- 
gestellten Strandbatterien entscheiden (‚‚terrae dominium finitur, ubi finitur 
armorum vis“). In der neueren Gesetzgebung Deutschlands und anderer 
Staaten sowie auch in verschiedenen neueren Verträgen wird die Ent- 
fernung vielfach auf drei Seemeilen (5556 m) bestimmt, diese aber 
vom niedrigsten Wasserstande der Tiefebbe (la baisse de la basse 
mar&e) gerechnet. So auch Art2 Abs.1 des von den Nordseestaaten 
geschlossenen Vertrages vom 6. Mai 1882 (unten $ 35 III 2), betreffend 
die polizeiliche Regelung der Fischerei in der Nordsee außerhalb der 
Küstengewässer (R.G.B1.1881, S.25). Vgl. auch Art.8 des deutsch- 
mexikanischen Freundschafts- usw. Vertrages vom 5. Dezember 1892 
(Strupp II 292). Auch die deutsche Prisenordnung von 1909 hält an 
den drei Seemeilen fest. Aber von einer allgemeinen Anerkennung 
dieser Berechnungsweise kann dennoch nicht gesprochen werden. 
Gegen die „Drei-Seemeilen-Zone‘ spricht die Erwägung, daß sie wohl 
ursprünglich mit der Tragweite der Strandbatterien zusammenfallen 
mochte, daß diese aber heute ein Mehrfaches jener Entfernung beträgt. 
Daher begegnen wir nicht zu selten in den neuesten Verträgen und Aus- 
landsgesetzen (so in dem italienischen Gesetz vom 16. Juni 1912) der 
Zehn-Seemeilen-Grenze. Das französische Dekret vom 18. Oktober 1912 
zieht die Grenze bei sechs Seemeilen, das italienische Dekret betr. die Zoll- 
häfen von Tripolis vom 4. Februar 1913 (Jahrbuch Il 324) für das Zollgebiet 
bei zwölf Seemeilen. Die skandinavischen Staaten haben stets eine 
Zone von vier Seemeilen beansprucht, sind aber im Weltkrieg dem 
Widerspruch des Deutschen Reiches begegnet!!1). Die Dreimeilenzone ist 
jedenfalls nicht mehr ausreichend. Die Grenze der Küstengewässer 
müßte vielmehr so weit hinausgerückt werden, als der Uferstaat seine 
tatsächliche Herrschaft auszuüben und seine Interessen zu sichern 
rechte auf die Verwaltungspflege des Uferstaates gründet und durch diese räum- 
lich begrenzt. v. Martens, R.G. 132. Godey, R.G. III224 David, La 
peche maritime. 1897. De Lapradelle, R. G. V 264, 309. Gregory, Juris- 
diction over foreign ships in territorial waters. 1904. Radnitzky, L. A. XX 313 
(340), der unter Gebietshoheit lediglich örtliche Kompetenz versteht. 27. Kon- 
ferenz der Internat. Law Association 8. 8l. Annuaire XXV 375, XXVI 
403. Raestad, R. G. XIX 598. Fleischmann bei v. Stengel-Fleischmann 
II 702. Wilhelmi, Das Küstengewässer. Erlanger Diss. 1914. de Louter 
1390. NysI540. Oppenheim1255. Ullmann2%. Vgl. auch die Literatur 
in 826 Note 10. ' 
11) Urteil des Ob.-Prisenger. im Fall Elida, D. J. Z. XX1 478, K. Z. IX 109. 
Daß die bisherige Unterlassung eines Widerspruchs von seiten des Deutschen 
Reichs keine Anerkennung bedeute, erscheint bedenklich; vgl. unten $21 IV 3.
	        
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