Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

82 I. Buch. Die Rechtssubjekte des völkerrechtlichen Staatenverbands. 
nur dann die Gerichtsbarkeit über die an Bord des fremden Schiffes 
begangenen Delikte, wenn und soweit durch das Delikt be- 
rechtigte Interessen des Uferstaates selbst oder eines 
seiner nicht an Bord des fremden Schiffes befindlichen 
Staatsangehörigen verletzt oder gefährdet worden 
sind). ' 
In dieser Fassung ist der von Frankreich seit der Entscheidung 
des Conseil d’Etat von 1806 vertretene Rechtssatz in einer großen 
Anzahl von Staatsverträgen, so in sämtlichen Verträgen Frankreichs, 
des Deutschen Reiches und anderer Staaten, ausdrücklich ausgesprochen 
worden. Vgl. Art.22 des deutsch-bulgarischen Konsularvertrages von 
1911 im Anhang. In den Verträgen ist meistens gesagt, daß die Auf- 
rechterhaltung der inneren Ordnung an Bord der in fremden Gewässern 
verankerten Handelsschiffe ausschließlich den Konsuln des Staates 
zusteht, dem das Schiff seiner Flagge nach angehört. Die Konsuln haben 
daher allein über Streitigkeiten jeder Art zwischen Schiffsführern, 
Schiffsoffizieren, Mannschaften und andern in den Musterrollen unter 
irgendwelcher Bezeichnung aufgenommenen Personen (nicht zwischen 
den Passagieren!) zu entscheiden; insbesondere auch über die Streitig- 
keiten, die sich auf die Heuer und auf die Erfüllung anderer vertrags- 
mäßiger Verbindlichkeiten beziehen. Die Ortsbehörden. des Uferstaates 
haben dagegen einzuschreiten, wenn die Unordnungen, welche aus 
solchen Zwistigkeiten entstehen, geeignet sind, die öffentliche Ruhe 
am Lande oder im Hafen zu stören, oder wenn Landesangehörige oder 
nicht zur Schiffsbesatzung gehörige Personen beteiligt sind. 
e) Im Kriege gehören die Küstengewässer der Kriegführenden zum 
Kriegsschauplatz; die Küstengewässer der an dem Kriege nicht beteiligten 
Staaten stehen dagegen unter den Rechtssätzen der Neutralität (unten 8 42 III). 
Dasselbe gilt von dem Lultraum oberhalb der Küstengewässer. 
8. Besondere Bechtsregeln gelten für die Balen und Buchten. In 
ihrem Innern von den Ufern aus noch vollständig beherrschbaren Teile sind 
sie Eigengewässer und stehen daher unter der uneingeschränkten Gebictshoheit 
des Ulerstaates; an diesen Teil schließen sich die Küstengewässer, die jenseits 
ihrer Grenze in die offene See übergehen.1*) 
Man: pflegt die Abgrenzung jenes innern Teiles der Baien und 
Buchten in der Weise zu gewinnen, daß man sich von Küste zu Küste 
eine gerade Linie in einer solchen Breite der Bucht gezogen denkt, 
daß der Mittelpunkt der Linie durch die auf beiden Ufern errichteten 
Strandbatterien noch erreicht wird. Hinter dieser Linie, dem festen 
Lande zu, liegt die geschlossene Bucht, also nationales Gewässer; 
13) Alibaux, Les navires de commerce dans les eaux ötrangäres au point 
de vue de ls jurisdiction criminelle. 1901. 
14) Vgl. Oppenheim, K.Z. I 579.
	        
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