Full text: Die Erbverbrüderungen zwischen den Häusern Sachsen und Hessen und Sachsen, Brandenburg und Hessen.

96 Dogmatische Erörterungen. 
Erbverbrüderung berufen, um jeden Anspruch der Töchter und 
Cognaten an die Allodialerbschaft zu beseitigen und nicht selten wurde 
diese Berufung schließlich auch von der Gegenpartei als beweiskräftig 
anerkannt. Aber dadurch hat in keiner Weise die behauptete Aus— 
dehnung der Erbverbrüderung rechtsgiltig und auch für die Nachkom— 
men verbindlich werden können. Daß die Agnaten nicht durch eine 
falsche Interpretation ihre Rechte zu Ungunsten der Cognaten einseitig 
ausdehnen können, ist wohl unbestritten, und wenn in manchen Fällen 
einzelne Cognaten dieser falschen Interpretation zustimmten, so kann 
darin höchstens ein persönlicher Verzicht auf die ihnen zustehenden Rechte 
gesehen werden, keineswegs können sie aber dadurch auf die Rechtsan— 
sprüche anderer Cognaten eingewirkt haben. Niemanden kann es an— 
gesonnen werden, sich eine Beschränkung seiner Rechte gefallen zu lassen, 
weil andere vor ihm, sei es aus welchem Grunde es sei, sich eine solche 
Beschränkung haben gefallen lassen. Auch haben in der That die neuern 
Haus= und Verfassungsgesetze auf diese falsche Auslegung der Erbver- 
brüderung keine Rücksicht genommen und unabhängig von ihr die Rechts- 
verhältnisse der Töchter und Cognaten geregelt. — 
Zum ersten Male scheint man sich zu dem Zwecke, die Erban- 
sprüche der Cognaten auszuschließen, auf die Erbverbrüderung berufen 
zu haben bei den Streitigkeiten,, die sich an die Katzenellenbogenische 
Erbschaft knüpften. Landgraf Heinrich IV. von Hessen hatte die Erb- 
tochter des letzten Grafen von Katzenellenbogen geheirathet, und deren 
Tochter Elisabeth hatte sich, als sie sich mit dem Grafen von Nassan 
vermählte, zu einem Verzichte ihrer Ansprüche aus der mütterlichen 
Erbschaft bewegen lassen (1482).233) Um jedem Versuche, von diesem 
Verzichte zurückzutreten und trotz desselben Ansprüche zu erheben, zu- 
vorzukommen, hatte der Landgraf Wilhelm der Jüngere, der Bruder 
Elisabeths, mit seinen Oheimen, den Landgrafen Wilhelm dem Aeltern 
—. 
233) S. diesen Verzicht bei Müller Reichstagstheatr. unter Mar I. Bd. I. S. 60.0.
	        
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