Bat, wie wir gesehen, die rechtliche Giltigkeit der Erbverbrüderung
und der aus ihr fließenden Erbfolgerechte allen Veränderungen getrotzt,
welche seit vier hundert Jahren die politische Gestaltung Deutschlands
und der von der Erbverbrüderung berührten Länder betroffen, so hat
dagegen die juristische Natur der Erbverbrüderung sehr wesentlichen
Umwandlungen nicht entgehen können. Die im Jahre 1373 von den
meißnischen und hessischen Fürsten geschlossre Erbverbrüderung war
ihrer rechtlichen Natur nach nichts als ein Vertrag, der den abschließen-
den Partheien die Verpflichtung auferlegte, vom Kaiser gemeinschaft-
lich die Belehnung zur gesammten Hand mit ihren beiderseitigen Lehen
zu erwirken. Das rechtlich wirksame Moment der Erbverbrüderung
kam erst durch die wirklich erfolgte Belehnung zur gesammten Hand
hinzu. Im Lauf der Jahrhunderte und in Folge der Entwicklung,
welche das Verhältniß der deutschen Fürsten zu Kaiser und Reich durch-
machte, trat der lehenrechtliche Charakter immer mehr in den Hinter-
grund. Die Erbverbrüderung wird, wenn auch nicht dem Namen, so
doch dem Wesen nach, ein Erbeinsetzungsvertrag, der die Eigenthüm-
lichkeit hat, daß zu seiner Giltigkeit kaiserliche Genehmigung nothwen-
dig ist. Der Kern dieses Erbeinsetzungsvertrags wird durch das wech-
selseitige Successionsrecht in die Staatsverlassenschaft des Hauses, das
zuerst ausstirbt, gebildet. Hieran schließt sich das Erbfolgerecht in die
übrige gesammte Hinterlassenschaft des letzten Fürsten aus dem be-
treffenden Hause. Bei der durchgehenden Vermengung aber von staats-