Full text: Die Erbverbrüderungen zwischen den Häusern Sachsen und Hessen und Sachsen, Brandenburg und Hessen.

78 Dogmatische Erörterungen. 
darin, daß die Fürsten, die mit ihren beiderseitigen Lehen zur gesamm- 
ten Hand gegenseitig belehnt wurden, als gemeinschaftliche Besitzer der 
beiderseitigen Lehen betrachtet werden sollten. Die Rechte des erbver- 
brüderten Hauses wurden als sofort bestehend angesehen, nur sollten 
sie erst zur Ausübung gelangen, wenn das andere Haus ausgestorben. 
wäre. Der Fürst, der die Erbverbrüderung geschlossen, wurde als der 
erste Erwerber der Lehen des andern Hauses betrachtet und nach ge- 
meinem Reichslehnrecht waren bei dem Falle des Aussterbens des au- 
dern Hauses alle seine Nachkommen im Mannsstamme in gleicher Weise 
zur Erbfolge berechtigt. 20!) Innerhalb des erbberechtigten Hauses hätte 
diese Successionsordnung in jeder Weise geändert werden können, so 
weit dadurch nicht Jemanden ein Erbrecht wäre eingeräumt worden, 
der nicht schon in der Gesammtbelehnung wäre begriffen gewesen. Weder 
der Kaiser als Lehnsherr 202), noch das erbverbrüderte Haus hätte Ein- 
sprache erheben können. Was nun das sächsische Haus betrifft, so ist 
zwar jetzt in allen einzelnen Linien die Primogeniturordnung einge- 
führt, keineswegs ist aber dies in Bezug auf das ganze Haus geschehen 
und wenn zur Reichszeit ein Fall der Erbverbrüderung eingetreten 
wäre, so hätten alle Mitglieder des sächsischen Mannsstammes ein 
gleiches Successionsrecht auf die erbverbrüderten Lande in Anspruch 
nehmen können. Nach diesem Grundsatz wurde z. B. bei dem Anfall 
der hennebergischen Lande verfahren. Die Ernestinischen Herzöge hatten 
im Jahre 1554 eine Erbverbrüderung mit den Grafen von Henneberg 
  
201) G. M. Weber Handbuch des in Deutschland üblichen Lehnrechts Bd. IV. 
(1811) S. 101. 
202) Daß zur Einführung einer neuen Successionsordnung in Reichslehen mit 
der angegebnen Beschränkung die Bestätigung und Zustimmung des Kaisers nicht 
erforderlich sei, wurde früher sehr bestritten, ist jetzt aber allgemein anerkannt. S. 
J. J. Moser Staatsrecht Bd. XIII. S. 469 u. ff. Pütter Beyträge zum teutschen 
Staats= und Fürstenrecht Bd. II. S. 179 u. ff. (Ob reichständige Erbverträge ohne 
kaiserliche Bestätigung gelten?) Schulze das Recht der Erbgeburt in den deutschen 
Fürstenhäusern. S. 365.
	        
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