84 Dogmatische Erörterungen.
Auffassung der Monarchenstellung beruhenden Bestimmungen keine
Giltigkeit mehr beanspruchen können, neuere aber, die mit der Natur
des Staates im Einklang stehen, noch nicht getroffen sind. 2141) Diese
Lücke kann natürlich nicht durch eine einseitige Uebereinkunft der Mit-
glieder des erbverbrüderten Hauses ausgefüllt werden, 215) sondern nur
durch ein verfassungsmäßiges Gesetz. Erlischt der Mannsstamm des
regierenden Hauses, ehe ein solches Gesetz erlassen ist, so muß eine
Regentschaft eintreten, bis dasselbe zu Stande gekommen sein wird.
Analog ist der Fall, wo eine Regentschaft die Regierung übernehmen
214) Zachariae (a. a. O. Bd. I. S. 373) sagt: „Es dürfte hinsichtlich der
Erbverbrüderten oder Cognaten doch zu behaupten sein, daß ihnen die Succession
nur in der Gestalt eröffnet wird, die sie durch die gesetzmäßige Ausübung der Auto-
nomie des regierenden Hauses und der legislativen Gewalt im Staate erhalten hat."
Diese Behauptung scheint uns, soweit sie die Erbverbrüderten betrifft, nicht begründet zu
sein. Die autonomischen Bestimmungen des regierenden Hauses, sowie die legisla-
tiven Festsetzungen beziehen sich nur auf die Successionsordnung in diesem Hause;
eine Ausdehnung auf später zur Regierung gelangende Familien kann an und für
sich in keiner Weise angenommen werden. In Bezug auf die erbverbrüderten Häu-
ser bestimmen die Verfassungen nur, daß nach dem Erlöschen des regierenden Hauses
der Monarch aus ihnen zu berufen sei; über die Persönlichkeit, welche zu berufen
ist, sowie über die Successionsordnung seiner Nachfolger erwähnen sie nichts. Auch
der Satz der Verfassung des Großh. Hessen § 5: Nach dem Uebergang gilt wieder
der Vorzug des Mannsstamms bezieht sich nur auf den Uebergang auf den Weibs-
stamm. Vgl. auch Gerber a. a. O. S. 20. ·
215) Die oben erwähnten Hausverträge der hessischen Fürsten können ebenso—
wenig Anspruch auf Giltigkeit machen, wie die Bestimmung des Hausgesetzes des
herzoglich Sächs. Coburg-Gothaischen Hausgesetzes vom 1. März 1855 Artikel 9,
soweit derselbe sich auf die Erbverbrüderung bezieht: „Wenn einem Prinzen des her-
zoglichen Hauses nach den Grundsätzen der Sächsischen Hausverfassung durch Erb-
gangs-, Mitbelehnschafts-, Anwartungs= oder Erbverbrüderungsrecht Land und Leute
anfallen, so wird das ihm Angefallne sofort und unmittelbar dem jeweils regierenden
Herzoge erworben. Von diesem wird die neue Erwerbung mit den Herzogthümern
Coburg und Gotha und nach der für diese in den Artikeln 5—8 vorgeschriebnen
Weise in dem Herzoglichen Hause vererbt.“ Die Mitglieder des herzoglichen Hauses,
auf deren Vereinbarung die Grundlagen dieses Hausgesetzes beruhen, haben durchaus
kein Recht, die Thronfolgeordnung eines fremden Staates zu bestimmen. Daß die
Mitwirkung der Stände zur Festsetzung der Thronfolgeordnung bei der Berufung
eines erbverbrüderten Hauses erforderlich ist, behauptet auch Gerber a. a. O. S. 20.