Full text: Die Erbverbrüderungen zwischen den Häusern Sachsen und Hessen und Sachsen, Brandenburg und Hessen.

Dogmatische Erörterungen. 85 
muß, wenn der Monarch mit Hinterlassung einer schwangern fürst- 
lichen Wittwe, die möglicher Weise den nächsten Thronfolger zur Welt 
bringen kann, stirbt. In beiden Fällen ist es noch unbestimmt, wer zur 
Regierung berufen sein wird, in dem einen Fall hängt die Entscheidung 
von dem Eintritt einer Geburt, in dem andern von dem Erlaß eines 
Verfassungsgesetzes ab. 1 
Ist in Folge der Erbverbrüderung und eines dieselbe näher be- 
stimmenden Gesetzes ein Mitglied des erbverbrüderten Hauses zur Re- 
gierung berufen worden, so kann der neue Fürst nur die Stellung 
einnehmen und nur die Befugnisse ausüben, welche von der Verfassung 
des betreffenden Staats dem Monarchen zugewiesen werden. Daß in 
der sächsisch--hessischen Erbverbrüderung die Fürsten der beiden Häuser 
geloben, die Rechte und Freiheiten der Unterthanen aufrecht zu erhalten 
und zu wahren, ist völlig irrelevant. In dem Verfassungsstaat hat 
der Monarch gar kein Recht, die Gesetze nicht zu wahren und zu ver- 
letzen. Zur Aufrechthaltung der Verfassung ist jeder Monarch ver- 
pflichtet, sei der Grund, aus welchem er zum Throne berufen worden, 
auch welcher es sei. 
Hört eines der erbverbrüderten Häuser auf ein regierendes zu 
sein, indem es in Folge einer Revolution oder einer Eroberung der 
Regierung und Regierungsnachfolge beraubt wird, so wird dadurch für 
diesen Staat die Erbverbrüderung und die auf sie gegründeten Ver- 
fassungsbestimmungen hinfällig, da die Erbverbrüderung nux auf den 
Fall des Aussterbens des einen Hauses gerichtet ist. Keineswegs wer- 
den aber dadurch die Bestimmungen der Verfassung des andern Staats, 
in Folge deren die Mitglieder der vertriebenen Regentenfamilie eventuell 
berufen sind, vernichtet, da die Erbverbrüderung nicht die regierende 
Familie des betreffenden Staates, sondern die Mitglieder einer bestimm- 
ten Familie zur Regierung ruft. — « J 
Wir haben bisher nur den einen Bestandtheil der Erbverbrüde- 
rung ins Auge gefaßt, die Nachfolge in die Regierung; aber wie wir 
schon oben erwähnt haben, erstreckt sich die Erbverbrüderung auch auf
	        
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