88 Dogmatische Erörterungen.
vernichtet werden könnten. Solche Ausnahmsbestimmungen, welche von
dem gemeinen Rechte und den den reichsständischen Familien eigen—
thümlichen Rechtsinstituten so völlig abwichen, konnten zur Reichszeit
nur dadurch zu rechtlicher Giltigkeit gelangen, daß sie vom Kaiser be—
stätigt und diese Bestätigung als ein Privilegium dem Hause verliehen
wurde. 219) Daß aber Hausverträge, die zur Reichszeit Giltigkeit hatten,
auch nach Auflösung des deutschen Reichs in unverändertem Rechtsbe—
stand fortdauern, ist unbestritten. Im Falle der eröffneten Erbschaft
muß auch bei dieser Vermögensmasse gleiche Theilung nach Köpfen
stattfinden. —
Was nun die einzelnen Bestimmungen in Bezug auf die Hinter—
lassenschaft des letzten Fürsten betrifft, so ist folgendes zu bemerken.
Nach der letzten Erneuerung der Erbverbrüderung von 1614 darf der
letzte der Fürsten aus dem Mannsstamm des einen der erbverbrüderten
Häuser letztwillig verfügen nur über bewegliche Gegenstände, deren ge—
meinschaftlicher Werth die Summe von 30000 Gulden nicht überschrei—
tet. Selbstverständlich darf er nur über sein Privatvermögen solche
testamentarische Bestimmung treffen, und wenn dieses die angegebne
Summe nicht erreichen sollte, darf er dieselbe keineswegs aus dem Ver-
mögen ergänzen, das zwar verfassungsmäßig als Eigenthum des regie-
renden Hauses anerkannt ist, das aber nur zu den in der Verfassung
bestimmten Zwecken verwandt werden darf oder unveräußerlich ist. 250)
Sind bei dem Erlöschen des Mannsstamms Prinzessinnen des Hauses
vorhanden, die schon verheirathet sind, so ist diesen jeder Anspruch an
das Vermögen des Verstorbnen entzogen. Sie können weder einen
219) Vgl. Pütter Beyträge Bd. II. S. 179 u. ff. Zöpfl Staatsrecht Bod. I.
& 214. Die kaiserlichen Bestätigungen der sächsisch-hessischen Erbverbrüderung erstre-
cken sich auf alle in derselben enthaltnen Bestimmungen; so siehe z. B. die Bestäli-
gung von 1434.
220) So sagt z. B. die Verfassung des Königreichs Sachsen § 20 in Betreff
des Königlichen Hausfideicommißguts: „Dasselbe ist von dem Lande unzertrennbar
und unveräußerlich.“ Großh. hessische Verfassung § 7.