38 II. Das Reich und die Bundesstaaten.
sondern sie sind auch in Wahrheit selbständige Staaten, wenn
auch nicht mehr souveräne Staaten.
Soweit die Zuständigkeit des Reiches geht, sind die
Bundesstaaten zum Gehorsam gegen das Reich verpflichtet. Die
einzelnen Leistungen, zu welchen sie verpflichtet sind, bestimmt
die Reichsverfassung und bestimmen die Reichsgesetze. Wie
schon erwähnt worden, erstreckt sich aber vielfach die Zuständigkeit
des Reiches nur darauf, über die in der Verfassung, namentlich
über die in Art. 4 aufgeführten Angelegenheiten Gesetze zu er-
lassen und eine Aufsicht zu führen. Die Pflicht und das Recht
der Bundesstaaten ist es, nach diesen Gesetzen die Verwaltung
zu führen und die Rechtspflege zu üben. Insoweit haben die
Bundesstaaten durch ihre Landesbehörden für die Ausführung
der Reichsgesetze Sorge zu tragen. Der Bundesstaat ist dem
Reiche dafür verantwortlich, daß in seinem Gebiete die Reichs-
gesetze zur Ausführung gebracht werden. Nach Art. 17 der
Reichsverfassung hat der Kaiser und in seinem Auftrage der
Reichskanzler darüber zu wachen, daß die Bundesstaaten diese
ihre Pflicht erfüllen. Hiernach ist der Kaiser berechtigt, von
den Bundesregierungen Auskunft und Bericht über die Aus-
führung der Reichsgesetze einzuholen. Er ist berechtigt, Kommissare
abzusenden, um durch sie sich von der Ausführung der Reichs-
gesetze Kenntnis zu verschaffen. Aber in dem Ausfsichtsrechte
des Kaisers ist nicht das Recht enthalten, den Bundesstaaten
Anweisungen über die Ausführung der Reichsgesetze zu erteilen
und in die Landesverwaltung selbst einzugreifen, um die Be-
achtung der Reichsgesetze herbeizuführen oder eine unrichtige
Anwendung derselben zu beseitigen Nur die Uberwachung
der Ausführung der Reichsgesetze steht dem Kaiser zu. Treten
bei der Ausführung der Reichsgesetze oder der hierfür erlassenen
Verordnungen des Reiches Mängel hervor, so hat vielmehr
nach Art. 7 Ziffer 3 der Reichsverfassung der Bundesrat
darüber Beschluß zu fassen, sofern nicht durch ausdrückliche
Bestimmung der Reichsverfassung in bezug auf einzelne An-
gelegenheiten weitergehende Rechte dem Kaiser verliehen sind. So
hat insbesondere der Kaiser nach Art. 63 Abs. 3 der Verfassung
die Pflicht und das Recht, dafür Sorge zu tragen, daß inner-
halb des deutschen Heeres alle Truppenteile vollzählig und
kriegstüchtig vorhanden sind und daß Einheit in der Organisation
und Formation, in Bewaffnung und Kommando, in der Aus-