46 II. Das Reich und die Bundesstaaten.
Bremen und Hamburg das Sonderrecht, daß diese Städte
mit einem dem Zwecke entsprechenden Gebiete außerhalb der ge-
meinschaftlichen Zollgrenze bleiben, bis sie ihren Einschluß in
dieselbe beantragen. Auf ihren Antrag ist zwar der größte
Teil dieser Gebiete durch die Reichsgesetze vom 16. Februar
1882 und 31. März 1885 in das gemeinschaftliche Zollgebiet
aufgenommen worden, beiden Staaten ist aber noch ein kleines
Freihafengebiet verblieben und insoweit findet hierauf die Vor-
schrift des Art. 34 noch weiterhin Anwendung.
Die Vertreter der Ansicht, daß das Reich nicht ein sou-
veräner Staat, sondern nur ein völkerrechtliches Vertragsver-
hältnis souveräner Staaten sei, glauben in der Bestimmung
der Verfassung über die Sonderrechte einzelner Staaten eine
feste Stütze für ihre Ansicht finden zu können. Diese Be-
stimmung sei ein unverkennbares Wahrzeichen des Staaten-
bundes und lasse sich nur aus dem Vertragsstandpunkte voll-
befriedigend erklären. Gegen die Auffassung des Reiches als
Staat erweise fie sich als völlig widerspenstig. Indes auch
diese Stütze versagt ihre Tragkraft. Der Absatz 2 des
Art. 78 enthält einen Rechtssatz über die Ausübung der sou-
veränen Reichsgewalt. Wie das Reich ohne Zustimmung des
Reichstages kein Reichsgesetz erlassen kann, so kann es keine
Vorschrift der Reichsverfassung, durch die ein Sonderrecht eines
Bundesstaates begründet wird, ohne dessen Zustimmung ab-
ändern. Auch in dem souveränen Einheitsstaate würde es nicht
in Widerspruch mit dem Begriffe der souveränen Staatsgewalt
stehen, wenn die Verfassung bestimmte, daß Rechtssätze, durch
welche einzelnen Personen Privilegien verliehen werden, nur
mit deren Zustimmung abgeändert werden können. Eine solche
Bestimmung wäre gewiß nicht zweckmäßig, aber sie wäre
zweifellos rechtlich möglich. Aber, wendet man ein, wäre das
Reich ein souveräner Staat, so könnte der ganze Absatz 2 des
Art. 78 auch gegen den Willen einzelner privilegierter Staaten
durch ein Verfassungsgesetz aufgehoben und damit den Sonder-
rechten der verfassungsrechtliche Schutz entzogen werden. Nach
Aufhebung des Absatz 2 des Art. 78 würde dann ein Ver-
fassungsgesetz genügen, um gegen den Willen des bevorrechteten
Staates ihm seine Sonderrechte zu entziehen. Die Sicherung
der Sonderrechte sei demnach noch keine vollkommene; jederzeit
könnten sie, wenn auch erst nach einem Umwege, beseitigt