Der König von Preußen Deutscher Kaiser. 51
entgegentreiben. Die Reichsverfassung hat das schwere Problem
gelöst, dieser Gefahr vorzubeugen und ein Zusammenwirken der
Träger der Funktionen der souveränen Gewalt zu sichern.
So groß die politische und moralische Bedeutung ist, die
der Wiederherstellung der deutschen Kaiserwürde innewohnt, die
staatsrechtliche Stellung, welche dem Könige von Preußen als
Inhaber der Präfidialrechte und als Bundesfeldherrn in dem Nord-
deutschen Bunde zukam, ist dadurch nicht geändert worden, daß an
die Stelle des Bundespräsidiums und des Bundesfeldherrn der
Deutsche Kaiser getreten ist. Die Reichsverfassung bezeichnet den
Kaiser deshalb auch nicht als Oberhaupt oder Souverän des
Reiches, sondern sie sagt ganz nüchtern und geschäftsmäßig in
Art. 11: „das Präsidium des Bundes steht dem Könige von
Preußen zu, welcher den Namen Deutscher Kaiser führt.“
Damit ist aber auch die untrennbare Verbindung der
preußischen Königskrone mit der Krone des Deutschen Kaisers
ausgesprochen. Es gehört zu den fundamentalen Grundsätzen
unserer Verfassung, daß der König von Preußen Deutscher
Kaiser ist, daß dieselbe Person, die in Preußen die preußische
Staatsgewalt auszuüben hat, im Reiche die Funktionen des
Deutschen Kaisers ausübt. Die Reichsverfassung hat deshalb
keine Vorschriften ausgenommen über den Erwerb der Kaiser-
krone und über die Thronfolge und konnte keine Vorschriften
darüber aufnehmen. Von Rechts wegen ist vielmehr diejenige
Person, welche nach preußischem Rechte König von Preußen
ist, Deutscher Kaiser. Aus demselben Grunde konnte die
Reichsverfassung auch keine Vorschriften aufnehmen über eine
Regentschaft im Reiche für den Fall, daß der Kaiser infolge
jugendlichen Alters oder Geisteskrankheit unfähig ist, die Re-
gierungsrechte auszuüben. Es liegt hier nicht, wie man wohl
gemeint hat, eine Lücke unseres Verfassungsrechtes vor, sondern
die Reichsverfassung hätte nur noch einmal einen Rechtssatz
ausdrücklich aussprechen können, der inhaltlich in ihr schon
enthalten ist und ebenso gilt, als wäre er ausdrücklich aus-
gesprochen worden. Indem die Verfassung erklärt, daß das
Präsidium des Bundes dem Könige von Preußen zusteht, erklärt
sie auch, daß diejenige Person, welche nach preußischem Rechte
als Regent die königliche Gewalt auszuüben hat, auch als
Regent das Präsidium des Bundes zu führen und die Funk-
tionen des Kaisers auszuüben hat.