Das Verwaltungsrecht und die subjektiven öffentlichen Rechte. 11
den Einzelnen auch eine sittlich-ideale Bedeutung. Die Staatsangehörigkeit
ist aus diesen Gründen ein subjektives öffentliches Recht, das Recht auf An-
erkennung der Stellung als Mitglied des Volkes zu der Staatsgewalt. Ganz
analog sind die Angehörigkeit zu einer Gemeinde, Provinz u. s. w. subiek-
tive öffentliche Rechte.
IV. Die Organe des Staats haben die staatlichen Aufgaben nach Maß-
gabe der Gesetze auszuführen. Es ist ein Interesse der Gesammtheit, daß
dies geschieht. Wohl können hierdurch auch die speziellen Interessen Ein-
zelner, selbst deren Vermögensinteressen berührt werden. Aber im allge-
meinen hat der Einzelne keinen Rechtsanspruch an den Staat, daß die staat-
lichen Funktionen ausgeführt oder die Gesetze und Verordnungen vollzogen
werden. Der Verpflichtung der Staatsorgane zur Erfüllung der staatlichen
Aufgaben entspricht kein subjektives Recht der Einzelnen. Andere Organe
des Staats vielmehr sind es, die kraft ihres Amtes das Recht des Staats
auf Durchführung der staatlichen Aufgaben nach Maßgabe der Gesetze geltend
zu machen haben. Doch kann der Staat durch Rechtssatz oder durch Vertrag
auch einzelnen Personen einen Rechtsanspruch auf bestimmte Leistungen
gewähren. Dann sind subjektive öffentliche Rechte begründet. Dies geschieht
aber nicht nur dann, wenn der Staat in einem konkreten Fall einer einzelnen
Person einen bestimmten Rechtsanspruch begründet, sondern auch wenn er
allen Staatsangehörigen oder bestimmten Klassen von Staatsangehörigen
gegenüber sich zur Vornahme einer konkreten Leistung verpflichtet. Das
Gesetz, welches die Bestimmungen über die Ausführung dieser Leistung ent-
hält, giebt dann nicht nur den betreffenden Organen des Staats eine Norm
zur Führung des Amtes, sondern es begründet zugleich für alle diejenigen,
die die in dem Gesetz angegebenen Voraussetzungen erfüllen, ein subjektives
Recht, eine bestimmte Leistung zu verlangen. Ganz in derselben Weise, wie
für den Einzelnen öffentlichrechtliche Ansprüche gegen den Staat auf be-
stimmte Leistungen entstehen können, können die Einzelnen auch öffentlich-
rechtliche Ansprüche gegen die Gemeinden und andere Kommunalverbände
erwerben.
V. Der Staatsgewalt unterworfen sind alle Menschen, die innerhalb
des Staatsgebiets leben. Sie sind der Herrschaft des Staates unterthan.
Aber die Unterwerfung unter den Staatswillen ist in dem Rechtsstaat keine
Unterwerfung unter die Willkür der Organe des Staats. Der Rechtsstaat
erkennt allen Menschen Persönlichkeit zu, d. h. die Eigenschaft, vermöge deren
der Mensch auf dem Rechtsgebiet als freies Wesen anzuerkennen und zu
schützen ist. Die damit anerkannte Freiheit des Menschen ist das Recht,
seinen Willen in rechtlicher Unabhängigkeit von dem Willen anderer
Menschen zu bethätigen. Indeß das Recht der Freiheit ist, wenn auch unver-
äußerlich, kein Recht der absoluten Freiheit. Wie der Mensch seine Freiheit
selbst rechtlich beschränken und seine Willensbethätigung von dem Willen