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Gefahr laufen, ja gerade vor der Gefahr behütet werden, etwas
als „Grundsatz des konstitutionellen Staatsrechts“ zu behaupten,
was nur Spezialrechtssatz eines bestimmten einzelnen Verfassungs-
rechts ist, wie z. B. der Satz der belgischen Verfassungsurkunde:
„il faut que chaque arröt& prenne sa source dans la constitution
ou dans une loi.* —
Das vorliegende Werk ist in diesem Sinne ein höchst an-
ziehend geschriebenes staatsrechtliches Lesebuch, in welchem der
gelehrte Verf. einen Ueberblick über Verfassungseinrichtungen und
Parteiwesen in einer Reihe der wichtigsten europäischen Kultur-
staaten giebt.
Mit lebhaftem Interesse folgt der Leser der gewandten,
gedanken- und kenntnisreichen Darstellung von Anfang bis zu
Ende, mit einziger Ausnahme der langweiligen Erörterung über
die deutschen Kleinstaaten. Der Titel verspricht eine Darstellung
des Regierungssystemes und der Parteiverhältnisse in Kontinental-
Europa in zwei Bänden. Die zwei Bände liegen vor; sie ent-
halten aber nur Frankreich, Italien, Deutschland (Reich und
Einzelstaaten), Oesterreich-Ungarn und Schweiz; es fehlt also
noch ein erheblicher Teil des europäischen Staatensystemes.
Ref. bekennt nun ohne weiteres, dass die Darstellung des Re-
gierungssystemes aller übrigen europäischen Kontinentalstaaten
aus der Feder des Verf. höchst erwünscht wäre; liegt aber das
Staatssystem von Staaten wie Türkei, Russland, Spanien dem
freien Gedankenkreis des Amerikaners zu fern, so möge er doch
in einem dritten Bande uns noch eine Darstellung des Staats-
systemes von Belgien, den Niederlanden, Schweden-Norwegen,
Dänemark und etwa Rumänien schenken. Insbesondere von
Belgien: die landläufige Meinung glaubt, GNnEIsT’schen Spuren
folgend, das Prototyp des konstitutionellen europäischen Staates
in England finden zu müssen; bei tieferem Eindringen in den
Stoff aber erweist sich dies als ganz irrig; mit viel mehr Recht
ist Belgien als solches Prototyp anzusehen, dessen Verfassung