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elsässischen Besitzungen gebilligt. Je weiter der Herzog von Burgund
in den reichsfreien Landen vordrang, desto größere Aussichten er-
öffneten sich dem Hause von Oesterreich dereinst mit der Erbschaft
des Burgunders. Es war vielleicht einer der gefährlichsten An-
schläge, welchem das Elsaß entgegensah, da ein entschlossener, mäch-
tiger, vor keiner Gewaltthätigkeit zurückscheuender Fürst die Land-
grafschaft des Elsaß übernahm und bei allen Schritten, die er that,
das Reichsoberhaupt selbst als stillen Theilnehmer ansehn durfte.
Herzog Karl von Burgund betrachtete denn auch den Besitz des
Sundgaues nur als die willkommene Stufe, um die Mauern der
Reichsstädte zu ersteigen und zum Herrn der letzteren sich aufzuwerfen.
Er hatte einen Vogt für diese Länder eingesetzt, dessen Person und
Charakter dem gewaltsamen Herzeg am besten Bürgschaft für das
Gelingen seiner Pläne gab: ein deutscher Edelmann, der ganz ver-
welscht war, die Städtefreiheit haßte und durch listige Ueberredung die
Schwachen zu täuschen, durch Grausamkeit die Zögernden zu schrecken
wußte. Das war Peter Hagenbach, der elsässische Geßler, dessen
Schädel noch nach Jahrhunderten zu Colmar kein rechtes elsässisches
Herz ohne Schrecken und Grauen betrachten konnte, wenngleich der
Zweifel allzu berechtigt war, ob es der echte Kopf des bösen Land-
vogts sei. Aber alles Schreckliche hatte Sage und Geschichte in der
Erinnerung an diesen furchtbaren Mann geknüpft. Gewaltthätiger
Misbrauch der Macht gegen jeden Stand und jedes Geschlecht, Hohn
gegen alles, was den Menschen heilig ist, einschleichende Freundschaft
und Heuchelei, das ganze Bild des typischen Tyrannen, wie es jeder
Volksstamm unter anderem historischem Namen bewahrt, wird uns
in diesem Peter Hagenbach geschildert. „Der Herzog von Burgund,
so klagt das Volkslied, derselbe kond sie anhetzen den Hagenbach,
das wütend Schwein; derselb bezwang sie schier, daß sie ihm mußten
gehorsam sein, als wie gezähmte Thier.“
Hagenbach hatte seinen Sitz in dem alten habsburgischen Amt
zu Ensisheim aufgeschlagen, von dort suchte er die Lande mit dem
bösen Pfennig heim, welchen er als Steuer auf Wein und Lebens-