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angehört hat und nun das Gespräch zusammenfaßt — die Christen-
heit ist verderbt, verderbt von oben bis unten, vom Papst bis zum
Küster, vom Kaiser bis zum letzten Schweinehirten.“
Unterdefsen ist ein fahrender Spielmann eingetreten und fragt,
ob er nicht den Herren mit seinen Künsten dienen dürfe. Da ver-
stummt dort der Gesang, hier das Gespräch, man drängt sich um
ihn und er gibt das Neueste zum Besten, vielleicht ein Spottlied
auf einen verbuhlten Cleriker, den seine Angebetete mit grobem
Spaß um die gehoffte Liebesgunst betrügt.
Der Stand dieser Spielleute hatte sich mit dem Aufschwung
der Komik, die sie vorzugsweise pflegten und mit der erhöhten Werth-
schätzung des Volksliedes gehoben, zu dessen Verbreitung und Be-
wahrung sie am meisten berufen waren. Das Volkslied hatte, wie
die Komik, nie aufgehört zu bestehen, aber es kam erst recht zu
Ehren, seit die große Poesic, die Kunstdichtung verfiel. So hatten
herumziehende Sänger, Musikanten und Puppenspieler, Gaukler und
Possenreißer, kurz, was man fahrendes Volk nannte, das ganze
Mittelalter hindurch ihr Wesen getrieben. Aber wenn sie früher
tief erniedrigt und als ehrlose Leute der allgemeinen Verachtung
Freisgegeben waren; wenn z. B. Heinrich der Glichezare, dem das
zwölfte Jahrhundert den Reinhart Fuchs verdankte (oben S. 39)
noch ein rechtloses, jeder Unbill ausgesetztes Dasein führte: so bildeten
sie jetzt im Elsaß eine anerkannte Zunft, welche nur ihren Mit-
gliedern gestattete, Musik, Spiel und Kurzweil zu treiben, und
scherzhaft das Königreich der fahrenden Leute genannt wurde. Die
Herren von Rappoltstein waren ihre Patrone und ernannten den
Obersten der unruhigen Schaar, den Pfeiferkönig, der mit einigen
anderen Erwählten das Hfeifergericht bildete und regelmäßige all-
jährliche Festversammlungen, die Pfeifertage, abhielt.
Noch heute werden zu Rappoltsweiler und Bischweiler alljähr-
lich Volksfeste gefeiert, welche den alten Namen bewahren. Aber
sie sind nur noch ein schwacher Abglanz dessen, was sie früher
waren, als der langgestreckte Festzug sich mit Opfergaben nach der