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verwegenen Zug der Alemannen ins Elsaß zurückgewiesen, aber
nachher vermochten die Römer ihre germanischen Gegner nur noch
durch jährliche Geschenke von den Grenzen des Reichs alzuhalten.
Denn nicht lange mochten die kriegerischen Stämme, die am rechten
Ufer des Rheins saßen, hinüber blicken in die freundliche Ebene bis
an die Vogesen, ohne den Fluß überschreiten zu sollen. Um die
Mitte des fünften Jahrhunderts treffen wir sie bereits im dauernden
Besitz des Elsasser Landes, hier wohnten sie
otrotzig auf römischem Ufer,
Tranken den Rhein und stolz auf linkem und rechtem Gefilde
Waren sie Bürger hier, dort aber Sieger.“
So beklagt ein römischer Dichter den Verlust des linken Rheln-
ufers, das Elsaß aber hat alemannische Sitte bewahrt durch alle
Stürme von Jahrhundert zu Jahrhundert bis auf den heutigen Tag.
In dem uralten Volksrecht der Alemannen kündigt es sich wol alo
einer der stärksten Gegensätze gegen das römische Staatswesen an,
daß die Frauen, wie bei allen Germanen, eine so hohe Stellung in
der Gesellschaft einnehmen. Fast in allen Fällen, wo Verbrechen
zu büßen sind, ist die Frau durch das Gesetz doppelt geschützt.
Landesverrath, Empörung beim Heere, Mordanschlag gegen den
Herzog wird mit dem Tode gebüßt. Die freien Männer versammeln
sich zur Pflege des Rechts hier wie bei den anderen großen Stämmen
des deutschen Volks. Diesseits und jenseits des Rheins war ein und
dasselbe Volksthum begründet.
Als nächste Nachbarn der Alemannen blieben Burgunder und
Franken über den Trümmern des römischen Reichs gleichsam als
wuchtiger Bodensatz der germanischen Wanderungen und Kriege des
fünften Jahrhunderts zurück. Der närdliche Theil unseres heutigen
Elsaß zeigt mehr fränkischen, der südliche mehr alemannischen
Charakter in der großen Masse des Volkes. Aber in politischer
Beziehung war der fränkische Stamm berufen die Herrschaft über
alle Deutschen zu führen, und auch die Alemannen geriethen in
Abhängigkeit von den gewaltigen Königen der Franken. Konnte es