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Schutzheiligen des vaterstädtischen Münsters seine offizielle Huldigung
dar. Einmal (1514) stellt er, ganz auf Kaisersbergs Art — in
einem durchgeführten Gleichnisse den Proceß der christlichen Heiligung
als ein Bad des Sünders dar, wobei Christus als Bader fungirt,
dem Menschen die Füße wäscht, ihn abreibt, ihm die Haut kratzt,
ihn schröpft, ihm den Kopf wäscht u. s. w. Alles zugleich in Bildern
erbaulich zu sehen. Die unwillkürliche Komik zeigt, wozu er be-
mifen ist.
Das bedeutendste, was er gemacht, sind unstreitig seine satirischen
Gedichte. Die früheren (1512—1519) mehr oder weniger in Se-
bastian Brants Manier, Holzschnitte mit poetischen Erläuterungen,
Satiren auf alle Stände in den von Brant gegebenen oder ähn-
lichen Formen: bald beschwört er Namen, bald schildert er die
Schelmenzunft, bald nimmt er die „Gäuche“ vor, die sich vo#n
Weibern bethören lassen, bald verfolgt er die Eselei in allen Ge-
stalten: kurz es ist immer der Brant'sche Begriff des Narren, der
auch als Schelm, Gauch oder Eiel verkleidet, stets zu demselben
Zwecke dienen muß.
Murner sucht Brant zu überbieten, und überbietet ihn wirklich.
Nur bleibt Brant immer das Vorbild und Murner der Nacheiferer;
ja neben Murners bodenlosem Leichtfinn erscheint Brant als ein
wahrhaft tiefer Geist. Aber Murner ist gewandter, bissiger und
witziger. Nur verdankt auch er sein Bestes der mit komischen
Elementen durch und durch getränkten Volkssprache, und der Witz
besteht oft blos in dem traurigen Muth, Unflätereien der niedrigsten
Sorte mit einem Selbstgefühl auszukramen, als wären es Perlen
und Diamanten.
Zur vollen Entfaltung seiner satirischen Kraft und seines Dichter-
talentes überhaupt erhob sich der unruhige Franciscaner erst gegen·
über der Reformation.
So feindselig Murners persönliche Beziehungen zu Kaisersberg,
Brant und Wimpheling waren, dem innersten Wesen nach ist er
mit dem älteren Straßburger Kreise sehr nahe verwandt. Er zieht