Full text: Geschichte des Elsasses von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.

176 
mit Behagen erging er sich unter den Hebräern in ihrer so ganz 
verschiedenen Bildung und Gesittung. 
Capito war weich und bestimmbar, er neigte zur Melancholie 
und Grübelei. Seine religiösen Gesinnungen haben einen mystischen 
Anflug. Er selbst spricht von seinem Temperamente der Nieder- 
geschlagenheit und setzt sich denen entgegen, die einen anmaßenden, 
stolzen, streitsüchtigen Geist haben, den eitlen Naturen, die um des. 
Ruhmes willen alles wagen. Wir haben von ihm ein Lied: „Gib- 
Fried zu unser Zeit, o Herr!“ Das bezeichnet ihn ganz. Ein tiefes 
Ruhebedürfnis geht durch seine Seele. Er war stets ein Friedens- 
stifter und Vermittler. Nachdem er längst mit dem alten Glauben 
innerlich gebrochen, enthielt er sich doch jedes auffallenden Schrittes 
und suchte dem Evangelium nur im Verborgenen zu nützen. Noch 
zuletzt in Mainz als Kanzler und vertrauter Rath des Erzbischofs 
suchte er diesen bei guter Laune zu erhalten, damit er gegen Luther 
nicht einschreite, und andererseits Luther zu beschwichtigen, damit er 
den Kirchenfürsten nicht aufbringe. Endlich aber der zweideutigen. 
Stellung und des Hoflebens doch müde, verließ er Mainz um als 
Probst des Stiftes St. Thomas in Straßburg die ersehnte Ruhe 
zu suchen. Als er hier seine Friedensbemühungen fortsetzte und sich 
an Zell mit abmahnenden Vorstellungen wendete: da gelang es um- 
gekehrt diesem braven schlichten Manne, den vornehmen gelehrten 
Probst zu sich herüberzuziehen und aus ihm einen unerschrockenen 
Verkündiger des Evangeliums zu machen. 
Caspar Hedio, ein Badenser, zu Ettlingen 1494 geboren, 
hatte Capito in Mainz als Hofprediger zur Seite gestanden und 
war jetzt einem Rufe nach Straßburg gefolgt, um bald die Erwar- 
tungen derjenigen zu täuschen, welche an ihm einen Vertheidiger des 
Alten zu gewinnen hofften. Auch er war keine nach außen gerichtete 
Natur und zog die Studirstube der Kanzel vor. Aber wenn wir 
in Capito einen Mann der Wissenschaft von tiefem schwerbefriedigten 
Gemüth und idealem poetischen Hauch erkennen, so erscheint uns 
Hedio mehr als der behagliche Bücherwurm, den seine kleine Welt
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.