Full text: Geschichte des Elsasses von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.

9 
berg mit dem alten Kloster Hohenburg, welches Eticho für seine 
Tochter und dreizehn andere fromme Frauen gründete; unweit davon 
befindet sich der heilkräftige Brunnen, zu welchem die Kranken und 
Gebrechlichen durch alle Jahrhunderte gewallfahrtet sind und der die 
Blinden sehend gemacht haben soll Die Sage erzählt uns von 
den Leiden der armen Fürstentochter, welche der grausame Herzog, 
weil er sie für blindgeboren hielt, tödten wollte. Aber die Mutter 
wußte ihr Kind durch die Amme zu retten und durch die Taufe 
wurde das Mägdlein sehend. Da wuchs es auf unter den Blumen 
des Feldes in einsamer Hütte, fern von dem Hofe des Vaters, eine 
Wohlthaten spendende Dulderin, Wunder thuend durch heilende 
Quellen, welche hervorsprießten an der Stelle, wo ihr Fuß geweilt. 
Und wie die späte Reue des Vaters das prachtvolle Schloß von 
Hohenburg zu gotterfüllter Stätte für heilige Frauen machte, da 
vermochten die Thränen und Bitten Ottilien's noch den Schatten 
des grausamen Herzogs den Qualen des Fegefeuers zu entreißen. 
So starb auf der Hohenburg Ottilie verklärt in den Armen der 
trauernden Schwestern. Ihr Sarg und ihr Gebein, die man bewahrte, 
erschütterten beim Anblick Jahrhunderte hindurch die Zweifler, die es 
auffallend fanden, daß man hier sogut, wie drüben im Breisgau den 
wahren Ottilienbrunnen zu haben meinte, aber tausend Jahre nachher 
stand Goethe, auf dieser Höhe, wo er das herrliche Elsaß wie ein Amphi- 
theater übersah“. — „Einer mit hundert, ja tausend Gläubigen auf 
den Ottilienberg begangenen Wallfahrt", — so exzählt uns der 
Dichter — „denk ich noch immer gern. Hier, wo das Grundgemäuer 
eines römischen Castells noch übrig, sollte sich in Ruinen und 
Steinritzen eine schöne Grafentochter aus frommer Neigung auf- 
gehalten haben. Unfern der Capelle, wo sich die Wanderer erbauen, 
zeigt man ihren Brunnen und erzählt gar manches Anmuthige. Das 
Bild, das ich mir von ihr machte, und ihr Name prägte sich tief bei 
mir ein. Beide trug ich lang mit mir herum, bis ich endlich eine meiner 
zwar spätern, aber darum nicht minder geliebten Töchter damit ausstat- 
tete, die von frommen undreinen Herzen so günstig aufgenommen wurde.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.