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Auch die Straßburger kann man nicht ganz von Selbst-
täuschung freisprechen, fällt auch der kleineren Macht, welche die
politische Lage nicht ganz überblicken konnte, eine weit geringere
Schuld zur Last. Aber alle diese schmalkaldischen Reichsstände täusch-
ten sich über den Umfang der Mittel, welche dem Kaiser zu Gebote
standen, wenn er sich einmal zum Kriege entschlossen hatte, indem
sie sein jahrelanges Zaudern zu ihrem Unglück seiner Schwäche
zuschrieben.
Es war im Jahre 1546 zu Regensburg, wo der verhängniß-
volle Entschluß des Kaisers zur Reife kam, die Protestanten mit
Krieg zu überziehen. Der Kaiser hatte mit Frankreich Frieden ge-
schlossen, war mit dem Papste in ein Bündnis getreten, und da die
Türken eben damals sich vollkommen ruhig verhielten, so schien der
Moment so geeignet, wie niemals zuvor, um Deutschland den Herrn
zu zeigen. Karl war sorgfältig bestrebt jeden Schein zu vermeiden,
als hätte er irgend welche Aksichten die religiösen Fragen mit dem
Schwerte zu lösen. Noch vor dem Regensburger Reichstag war er
mit dem Landgrafen Philipp persönlich zusammengetroffen, und gab
sich große Mühe ihn zu überzeugen, daß jede feindliche Absicht ihm
so fern als möglich sei. Man besprach sich offen über das Trienter
Concil, das nun schon seit Jahresfrist beisammen war und nicht
die Miene machte, auch nur das geringste in Verfassung und Ge-
bräuchen der alten Kirche zu reformiren. Der Landgraf bemerkte,
daß sich von einem allgemeinen Concil nichts mehr erwarten lasse,
und fügte mehr als unbefangen dann hinzu, man müßte hundert-
tausende umbringen, wenn der vom Concil so arg verkannte Glaube
unterdrückt werden sollte.
So war man auf dem Regensburger Reichstag in schein-
barer Freundschaft noch versammelt, da schon von allen Seiten die
Truppen des Kaisers und des Papstes herbeigezoegen wurden. Noch sollte
aber Niemand den Zweck des Krieges erfahren, so lange nicht auch
eine Anzahl protestantischer Fürsten in des Kaisers Garn gefangen
waren. Man kennt des schlauen Karl Unterhandlungen mit Herzog