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Landgrafen Philipp von Hessen und die aufregenden Erzählungen
von dessen Capitulation zu Halle, — wie sich sein Schwiegersohn,
Moriz von Sachsen, für Philipps Freilassung verbürgt habe, wie
der Kaiser durch Umdeutung und Verdrehung der Worte sich in die
Gewalt des Landgrafen gesetzt, wie er ihn nach einem Gastmahl bei
dem Herzog Alba hinterlistig gefangen nehmen ließ, wie die er-
lauchten Fürsten von spanischen Musketieren mishandelt in engen
Zellen gehalten, ven einem Ort zum andern geschleppt würden und
wie der Kaiser auf die Vorstellungen des Kurfürsten Moriz nur
Achselzucken und spöttisches Lächeln gehabt hätte. — Es waren
traurige Zeitungen, die man in den Reichsstädten verbreitete! Hob
doch auch hier die Reaction schon kühner ihr Haupt. Manche
Predigerfamilie mußte bereits zur Flucht sich wenden, und rührend
erzählt uns ein Geschichtschreiber jener Zeiten, wie seine Eltern
damals heimathslos von Ort zu Ort vertrieben wurden.
Was wird unter solchen Umständen der Reichstag, den der
Kaiser zu Augsburg eröffnet hatte, und der von den Katholischen
eifrig besucht wurde, wol verfügen?
Straßburg hatte, wie immer in solchen Fällen, zu dem Aus-
kunftemittel die Zuflucht ergriffen, den Stadtboten keine vollständigen
Vollmachten zu geben, sondern ihnen zu gebieten, ungünstige Be-
schlüsse abzulehnen und „Hinter sich zu bringen“; so nannte man auf
den Reichstagen die Verweigerung der Abstimmung wegen mangel-
hafter Instruction. Jacob Sturm, Johannes von Odrazheim und
Marx Haug waren Straßburgs Vertreter. Sie hatten dem Raih
zu berichten, daß man in Augsburg ein Reichsgesetz von den weit-
gehendsten Folgen beschlossen habe — das Interim, von dem
der Volkswitz sagte, „es hat den Schalk hinter ihm“.
Die Verlegenheit des Kaisers, welcher mitten in seinem Sieges-
lauf erlebte, dah der Papst sich ganz von ihm abwendete, das
Concil von Trient auseinandergegangen und das Hirngespinnst der
kaiserlichen Räthe von einer Reform im Schooße der Kirche voll-
ständig zu Boden gefallen war, wurde mühsam genug durch das