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Gothien, Elsaß und Alemannien als ein einiges Reich ebensogut,
wie später den deutschen oder französischen Staat erachtete. Die
politischen Theilungen selbst haben zur Ausbildung des starken
Gegensatzes zwischen deutsch und wälsch geführt.
Was einst in bunter Mischung nebeneinander wohnte, hier der
fränkische und burgundische Kriegsmann auf seinem eroberten Besitz,
dort der römisch-gallische Bauer, den man doch nur unterwerfen,
nicht verdrängen konnte, hier ein edles Geschlecht von romanischer
Abstammung, dort ein fränkischer Krieger, der sich der feineren Sitte
römischer Civilisation mit Fleih und Nachahmungstrieb bemächtigte,
das alles war nun in bewußten Gegensatz getreten, und hat von
den politischen Gestaltungen Macht und Antrieb zu gegenseitiger
Ausschliehung und innerer Assimilirung erhalten. An den Grenzen
dieses nationalen Prozesses, die wie die hohen Berge gleichsam die
Wasserscheiden des menschlichen Geistes bestimmen, an diesen viel-
umrungenen, umworbenen und blutgetränkten Grenzen lag neben
anderen Ländern in langgestreckter Ausdehnung das Elsaß mit seinen
Erinnerungen an Ariovist und Chnodomar und seinem festen Grund
von deutschem Recht und Sitte.
Wird es seine deutsche Nationalität bewahren?
Es wäre ein Irrthum, wenn man dächte, daß sich irgend jemand
vor 1000 Jahren diese Frage vorgelegt hätte, welche seit 200 Jahren
so natürlich geworden ist. Damals wäre die Antwort im Elsaß
selbstverständlich gewesen; aber wenn südlich vom Elsaß die deutschen
Burgunder vollständig verwälschten, so darf und muß man eine
Antwert fordern, warum das Elsaß nicht französisch geworden, und
Dank unserer großen Zeit nun niemals werden wird.
Ein Hauptgrund des zähen Festhaltens des elsässischen Landes
an deutschem Wesen liegt ohne Zweifel in der stärker ausgeprägten
Individualität des alemannischen Stammes. Aber mehr noch ent-
scheiden in den Wandlungen der Völker und in den Mischungen
der Racen Verhältnisse von Grundbesitz und Ehe. War im west-
lichen Franken und in Burgund die Zahl der germanischen Ein-