Dreizehntes Kapitel.
Lutherthum und Calviniemus.
In der Zeit von Jacob Sturm und Martin Butzer stand
Straßburg ohne alle Frage an der Spitze der evangelischen Städte
Deutschlands. Die verschiedensten Parteien priesen es als vor-
nehmsten Hort der confessionellen Freiheit: das neue Jerusalem
nannten es die französischen Religionsflüchtlinge, das neue Jerusalem
nannte es der phantastische Wiedertäufer Melchior Hoffmann. Cal-
vin, der Centralgeist der protestantischen Fortschrittspartei in der
zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts, hat sich von Straß-
burg wie von einem Wartthurme aus den freien Welthlick für die
großen Verhältnisse der kirchlichen Politik angeeignet. Religion und
religiöse Dinge waren hier am meisten in dem Sinne geregelt, wie
es sich mit einer freisinnigen modernen Anschauung verträgt. Es
war etwas von dem Geiste der Aufklärung, es war eine Vorahnung
des Humanitätsevangeliums, was in den Staatsmännern und Pre-
digern Straßburgs lebte.
Wie ganz anders wurde es bald nach der Mitte des sechs-
zehnten Jahrhunderts.
Nachdem Capito 1541 vorangegangen, starb die erste Generation
der Straßburger Reformatoren rasch hintereinander weg. Zell starb
1548. Fagius starb in England 1549 (s. oben S. 224), Butzer
zwei Jahre später (1551). Hedio, der nach Butzers Abgang dem