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nate und Jahre und verschiedenes andere anzeigte: das ganze freilich
nur ein kostbares hübsches Spielzeug.
Mit der Kunst ging es im Elsaß, wie überall in Deutschland,
im Laufe des sechszehnten Jahrhunderts gewaltig abwärts. Die
Zeiten der Schongauer und Hans Baldung Grien waren vorüber:
selten, daß man einmal in elsässischen Holzschnitten den Einfluß
Dürer'scher Schule zu spüren meint. Die Reformation wirkte un-
mittellar nicht günstig. Der Maler Heinrich Vogtherr, Bürger zu
Straßburg, bezeugt im J. 1538: Gott habe durch die Schickung
seines heiligen Worts in ganzer deutscher Nation allen subtilen und
freien Künsten einen merklichen Ablruch gethan.
Aber gerade in Straßburg finden wir, wenn schen Malerei
und Bildnerei verfielen, doch mindestens das Kunsthandwerk in
der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts auf einer sehr
hohen Stufe. ’
Der Holzschnitt hatte für die Litteratur nicht mehr so große
Bedeutung wie einst bei Sebastian Brant und Themas Murner,
schon weil die Kunst des Lesens verbreiteter war, seit die Volksschule
sich hob: früher eine nothwendige Ergänzung, war er jetzt eine
angenehme aber nicht unerläßliche Beigabe. Dafür entstehen eigene
Bilderbücher, in denen Holzschnitte die Hauptsache sind, gleichviel ob
sie von Text begleitet werden oder nicht. Darin hat gerade Straß-
burg ausgezeichnetes geleistet und in dem Hauptwerke dieser Art,
einer Porträtsammlung von Gelehrten und Dichtern des sechszehnten
Jahrhunderts mit beigefügten lateinischen Lolsprüchen (Nicolaus
Reusners Lcones) rühren die Holzschnitte von einem der hervor-
ragendsten Künstler dieser Zeit, dem schon genannten Maler Tobias
Stimmer aus Schaffhausen her, der meist in Straßburg arbeitete.
Das Buch ist ein wahres Pantheon jener reichen Zeit, eine beträcht.
liche Anzahl bedeutender Männer können wir nur hier von Angesicht
zu Angesicht kennen lernen und die scharfen ausgearbeiteten, von
Stimmer so charakteristisch wiedergegebenen Züge lassen uns oft
mehr von dem innersten Sein dieser mannigfaltigen Geister errathen,
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