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als ihre eigenen Schriften und die meist in blasser Allgemeinheit
lobtriefenden Biographien.
Andere Holzschnitt- und Kupferstichwerke sollen als Vorlagen
für Maler, Architekten, Goldschmiede, Waffenschmiede, Seidensticker,
Steinmetzen, Schreiner dienen. Sie eröffnen uns in Straßburg den
Ausblick auf eine wahrhaft staunenswürdige Häöhe einiger dieser
Kunst= und Industriezweige. Ueberall sind die Formen der Re-
naissance maßgebend und werden mit der größten Freiheit weiter
gebildet. Der Straßburger Maler Wendelin Dieterlin (1540—1599)
entwickelt in seinen Entwürfen (Architectura 1598) eine ganz aben-
teuerliche Phantasie. Plastisch-decorativer Schmuck wird auf das
umfassendste überall herbeigezogen. Am zügellosesten läßt er sich in
Zeichnungen zu Brunnen gehen. Menschen= und Thierknäuel, Jag-
den und Drachenkämpfe, heilige und profane, christliche und mytho-
logische Gegenstände, Alles muß herhalten, um die äußerste Unruhe
und rastlos pulsirendes Leben in den Steinmassen, zum Theil aber
höchst eriginelle Gebilde hervorzubringen. Es sind gemeißelte Dithy-
ramben, Ausgeburten einer losgelassenen Phantasie, welche den antiken
einfachen Fermen einen Ueberfluß wunderlicher Schnörkel umhängt
und aufstülpt und welche in der bildenden Kunst zu ähnlichen Re-
sultaten gelangt, wie sie uns Fischart in der Poesie darbieten wird.
Aber sehen wir al von solchen höchst subjectiven Eingebungen,
die, schwerlich je zur Ausführung kamen. Auch bescheidenere Vor-
lagen, nach denen sicherlich gearbeitet wurde, zeigen uns künstlerisch
feine Durchbildung bis in die kleinsten Details. Mag es sich nun
um Thür= oder Fenstereinfassungen, mag es sich um Bilderrahmen,
mag es sich um Schränke, um Kamine, um Leuchter, um Schwert-
griffe handeln: überall sind die Formen der Renaissance, zwar selten
mit reinem Geschmack, aber stets mit lebhafter Phantasie durch-
geführt und immer prächtig und verschwenderisch, namentlich in den
Kapitellen überreich ausgestattet.
Im Elsaß hatte man Freude am Luxus. Man fühlte sich
im Besitz einer hohen Culturz nicht ehne berechtigten Stolz nannte