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Konrad Dannhauer, ein populärer lebendiger Prediger in Kaisers-
bergs Manier, nachdrücklich auf die Schriften Luthers und lehrte
ihn die Bibel mit der gehörigen Versenkung in die Persönlichkeit
der Autoren auslegen. Daneben stand ihm Professor Johannes
Schmidt als Beispiel christlicher Sanftmuth und Demuth vor, und
außerhalb der Universität konnten ihn Nachwirkungen Daniel Suder-
manns (S. 300) für die Mystiker gewinnen, die er später so ernstlich
empfahl. Bald erweiterten Reisen seinen Gesichtskreis, ein Auf-
enthalt in Genf zeigte ihm in Jean de Labadie den glühendsten
auf strenge Sittlichkeit und Reinigung des verderbten kirchlichen
Lebens gerichteten Eifer, und seine Verbindung mit den Rappolt-
steinern eröffnete ihm den Blick in das Leben der höheren Stände,
in die geheimen und offenen Schäden, in die bewußten und un-
bewußten Bedürfnisse auch dieser Gesellschaftsklasse.
Dergestalt reich ausgerüstet mit Kenntnissen, welche ihm Leben
und Studium an die Hand gaben, trat er 1663 eine Freiprediger-
stelle zu Straßburg an und begann Vorlesungen an der Universität.
Ein Jahr darauf Doctor der Theologie und beglückt in junger Ehe,
entfaltete er auf Kanzel und Katheder eine so segensreiche Thätig-
keit, daß man die größten Hoffnungen auf ihn setzte und die bald
eintretende Berufung nach Frankfurt wie eine Fügung des Himmels
ansah, der ihn zu wichtigen Dingen bestimmt habe.
Man hatte sich nicht getäuscht. Spener bewies sich als echter
Evangelist. Er war kein Reformator, aber ein Restaurator. Das
verdunkelte Bild der Reformation des sechszehnten Jahrhunderts
wollte er herstellen, wie es ihm vorschwebte. Das Streben, Neue-
rungen auf die Bahn zu bringen, war ihm so fremd wie irgend ein
anderer Ehrgeiz. Er will nie persönlich gelten. Er ist eine gar
einfache Natur, fein und zart, verständnisvoll, weit entfernt von
theologischem Hochmuth, ein Mann von rührender Bescheidenheit
und wahrhafter Demuth, klar in dem was er will und beharrlich-
unerschrocken bei aller Zurückhaltung und Mäßigung. Voll auf-
richtigen Strebens nach Gerechtigkeit und ängstlich gewissenhaft, ver-