Vom Eigenthume. 395
auf seinem Grumd und Boden zu machenden Veranstaltungen nicht abführen: so ist der
unterhalb liegende Nachbar 5 5°) selbiges anzunehmen, und also dem obern die Vor-
fluth zu gestatten verbunden 56).
§. 1011. Die unterhalb liegenden Besitzer sind aber dazu nicht verpflichtet, sobald
es einem unter ihnen durch natürliche Hindernisse unmöglich wird, das solchergestalt
anzunehmende Wasser weiter abzuleiten.
§. 105. Doch kann auch in diesein Falle der Staat die unterhalb liegenden Nach-
bam zu Gestattung der Vorfluth anhalten, wenn die Vortheile des oberhalb gelegenen
Besitzers den Schaden der untem beträchtlich überwiegen, und Ersterer den Letzteren
diesen ganzen Schaden vollständig zu vergüten bereit und vermögend ist 5“7).
8. 106. Ist zur Verschaffung der Vorfluth die Ziehung eines neuen Grabens
nothwendig, so müssen diejenigen, welche Nutzen davon haben, nach Verhältniß des-
selben zu den Kosten gemeinschaftlich beitragen.
5. 107. Hat der, auf dessen Grund und Boden der Graben gezogen wird, da-
von keinen Vortheil, so ist er zur Anlegung so wenig, als zur Unterhaltung desselben,
etwas beizutragen verbunden 7).
§. 108. Bielmehr muß ihm der dadurch erlittene Schade, mit Inbegriff der
durch Ziehung des neuen Grabens verloren gehenden Erdfläche, nach der Bestim-
mung durch Schiedsrichter 56) ersetzt werden 57).
55 e) (5. A.) Unter Nachbarn im engeren und eigentlichen Sinne find nur die Besitzer (resp.
Bewohner) aneinanderstoßender Grurstücke zu verstehen, und unter den Bestimmungen der 8§. 102
— 189 lassen die S§8. 118 — 122, 133 — 136, 139, 140, 149 — 184 eine andere Anwendung als
die auf das Verhältniß der Eigenthümer aneinandergrenzender Grundstücke unbedingt nicht zu, es läßt
sich auch nicht annehmen, daß während dem so ist, in den Ubrigen der gedachten §§. Einschränkungen
des Eigenthums zu Gunsten Anderer als der angrenzenden Eigenthümer haben angeordnet werden
sollen, und insbesondere nicht, daß in dem §. 142 der Ausdruck „Nachbar“ in einer weneren Bedeu-
tung zu verstehen. Erk. dess. vom 14. September 1865 (Archiv f. Rechtef. Bd. LXI. S. 29).
56) Doch nur auf Kosten des oberhalb Liegenden. S. unten Anm. 59 zu §. 108. (5. A.) Der
unterhalb liegende Besitzer wird allein deshalb, weil der Eigenthümer des höher liegenden Grundstückes
auf seinem Grunde und Boden mit der Zähmung des Wassere durch Ziehen eines Grabens berrits den
Anfang gemacht hat, von seiner Verpflichtung zur Aufnahme des Wassers nicht befreit. Erk. d. Obertr.
vom 21. November 1863 (Archiv für Rechtsf. Bd. LII, S. 112).
(5. A.) Die 9§. 103 ff. lassen eine Auwendung auf bestehende Grundgerechtigkeiten nicht zu.
Erk. des Obertr. vom 31 Oktbr. 1865 (Archiv f. Rechtsf. Bd. LXI. S. 192).
In Borfluthsachen gelten noch die Provinzialverordnungen, soweit sie durch die älteren allgemei-
nen Vorfluthverordnungen, an deren Stelle das A. L.R. getreten ist, nicht ausdrücklich aufgehoben
worden sind. Namentlich gilt das Schl. Ed. vom 20. Dezember 17486 noch jetzt als Provinzialgesetz,
denn es ist weder durch das allgemeine Vorfluthsedikt v. G. Juli 1773, C auch durch die Einfüh-
rung des A. LV. R. ausgehoben. Pl.-Beschl. (Pr. 2173) des Obertr. vom 7. Januar 1850 (Entsch.
Bd. XIX, S. 53). Die in dem Schl. Vorfluthedikte enthaltenen Vorschriften über die Verpflichtung
zur Räumung von Gräben und Bächen sind auch durch das Ed. v. 15. November 1611 nicht auige-
hoben. Pr. 2193, v. 14. März 1850. (Entsch. Bd. XX, S. 448.)
56 à) Hiernach muß der unterhalb liegende Grundbesitzer dem oberhalb liegenden eine nothwen-
dige Servitut einräumen. Vergl. Tit. 22, §§. 3 ff. und das Vorfluthedikt vom 15. November 1811,
Ss. 13 ff. (Zus. 15).
(4. A.) Die Vorfluthorrordnungen beziehen sich jedoch nicht auf Gebäude (bebaute Grundstücke),
sondern nur auf ländliche Grundstücke. Erk. d. Obertr. v. 10. Febr. 1859 (Emsch. Bd. XI, S. 34).
57) Der Besiter des praeium dominans wird bei der servitus aquse recipiendase von der Ob-
liegenheit zur Grabenräumung selbst durch 30jährige Unterlassung nicht befreit, wenn ihm die Räumung
ursprünglich obgelegen hat. Pr. des Obertr. vom 20. Sept. 1783 (Stengel, Bd. XI, S. 293).
58) Vorfl.-Cd. v. 15. Nov. 1811, 9§. 22, 23 (Zuf. 15).
59) Kein unterhalb liegender Grundbesitzer ist schuldig, auf eigene Kosten dem oberhalb Liegenden
Vorfluth zu verschaffen. Denn wenn auch im §. 107 nur von neuen Gräben, die behufs Verschaffung
der Vorfluth gezogen werden, die Rede ist, so beruht die hier getroffene Bestimmung doch auf dem all-
gemeinen Grundsatze, daß Niemand auf Kosten eines Anderen oder mit dessen Schaden die Einräu-
mung eines Vortheils verlangen kann. Deswegen ist der unterhalb Liegende auch nicht schuldig, die