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Stimmung, welche jedem Straßburger Mhilister zu gestatten schien,
über die Kläglichkeit der deutschen Nation zu spotten, bei welcher
die parlamentarische Freiheit nicht recht gedeihen konnte, und höch-
stens als ein Ableitungsmittel gegen die nationalen und wahrhaft
patriotischen Bestrebungen praktischer, besonders preußischer Staats-
männer in kleinstaatlichen Dosen verabreicht wurde.
Kaum jemand hatte damals den Mut die gefeierte französische
Charte in ihrem wahren Lichte zu beleuchten und unfehlbar drehte
jedem der öffentliche Meinungspranger, welcher diese Verfassung als
das was sie war, als einen höchst traurigen englischen Wechselbalg
angesehen hätte. In einer Zeit, wo man in Deutschland selbst die
Erfüllung der nationalen Bedürfnisse immer und immer wieder von
nichts als der blinden Nachahmung der bürgerköniglichen Verfassung
erwartete, durfte man es den Elsässern freilich nicht zum Vorwurf
machen, daß sie anfingen, sich als die „constitutionellen Franzosen“ weit
erhaben über den zurückgebliebenen alten Stammesbrüdern zu fühlen.
In einer Epoche, wo der Weg nach Paris als die Pilgerfahrt hoaher
Politik galt, hatte man das Recht verwirkt, über Undeutschheit der
Elsässer zu klagen. War es nicht natürlich, daß sich Straßburg als
eine Etappen-Station der Freiheit betrachtete?
Daß trotz aller lauten Bewunderung, trotz aller constitutionellen
Begeisterung für Frankreich doch mancher Widerspruch im Elsaß
ungelöst blieb, und daß es an wahrhaft innerlicher Zufriedenheir
gerade solchen Männern gebrach, welche an der Spitze der Geschäfte
standen, beweist die Geschichte der Amtsführung Friedrich Schützen-
bergers. Er war der zweite Nachfolger Türckheims. Denn als dieser
1835 sein Amt niederlegte, folgte ihm zunächst ein Herr Lacombe
nach, während dessen Verwaltung Schützenberger, einer der Adjuncte
des Maires, bereits einen großen Einfluß gewann. Im Frühjahr
1837 wurde der letztere endlich selbst zum Maire seiner Vaterstadt
erhoben. Nicht leicht wird aber die Biographie eines Mannes,
dessen Thätigkeit anerkannt war, dessen Charakter in der höchsten
Achtung seiner Mitbürger stand, dessen äußere Glücksumstände nichts
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