Full text: Geschichte des Elsasses von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.

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allen Scharfsinn an, dieselben einfachen Dinge unzählige mal anders 
zu sagen. 
Diese Poesie ist der Niederschlag des geistreichen Salongesprächs, 
wie man es von den Südfranzosen zu führen gelernt hatte. In 
solchen Wendungen machte man zu Ende des zwölften Jahrhunderts 
in Deutschland den Hof. Es sind zierliche Spiele des Witzes, in 
denen der Ausdruck zärtlicher Klage, ergebenen Duldens, ausdauernder 
Treue vorwaltet. Der feine Conversationston verräth sich in der 
Schmucklosigkeit des Stils, der von allen sinnlichen Elementen ab- 
sieht, niemals lebhafte Farben aufträgt, selbst den Naturfinn nicht 
zu Worte kommen läßt und in Freude wie in Trauer ein gewisses 
Gleichgewicht und Mittelmaß der Empfindung nie verläugnet. Auch 
ist es dem Dichter nicht starker Ernst mit den Gefühlen, die er 
äußert. Er gefällt sich in der klagenden Attitüde, darum nimmt 
er sie zum Vergnügen an. Er ist recht zufrieden „mit dem langen 
süßen Kummer sein, den er gar gerne dulden will“. Er nimmt den 
Ruhm in Anspruch, daß kein Mann sein Leid so schön zu tragen 
wisse. Ja er stellt den allgemeinen Satz auf: „Man soll sich 
Liebessorgen machen, Sorg ist gut, ohne Sorg' ist niemand werth 
(beliebt und angesehen).“ 
Reben Reimar — wie anders erscheint uns Gottfried von 
Skraßburg, der größte Dichter, den das Elsaß je hervorgebracht 
hat. Auch Gottfried reflectirt viel und ist theoretisch gestimmt; 
aber wo Reimar spielt, ist es Gottfried bitterer Ernst; wo Reimar 
bleich und farblos erscheint, ist Gottfried glutroth. Die Leidenschaft, 
mit welcher Reimar sich Unterhaltung macht, stellt Gottfried mit 
allen ihren tragischen Verwickelungen dar an der Geschichte des be- 
rühmtesten Liebespaares jener Zeit, an Tristan und Isolde. 
Gottfried äußert sich mit leichter Ironie über die ewigen Liebes- 
seufzer der Minnesänger. Er scheidet sich in bewußter Kunst ab 
von dem gewöhnlichen Geiste des Ritterromans, der in der äußeren 
Pracht des aristokratischen Lebens, in Schmuck und Kleidern, glän- 
zenden Rüstungen, Festen, Aufzügen und Turnieren schwelgte. Gott-
	        
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