Full text: Geschichte des Elsasses von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.

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linden übten in stetem Stillschweigen, und selbst vom Auge nur 
beschränkten Gebrauch machen wollten, um nicht durch den Anblick 
der Welt abgezogen zu werden von der frommen Versenkung des 
Geistes — wenn andere sich einbildeten, sie hätten es durch anhal- 
tendes Weinen und Seufzen vor dem Marienbilde dahin gebracht, 
daß das Jesukindlein zu ihnen redete und ihnen Ablaß der Sün- 
den versprach — wenn man der allerfrömmsten nachrühmte, sie 
werde zuweilen mehrere Fuß hoch über der Erde schwebend erblickt: 
so befanden sich diese verehrungswürdigen Damen mit dem Geiste 
des mittelalterlichen Christenthums in der allervollkommensten Ueber- 
einstimmung und haben es vielleicht nur einem unglücklichen Zu- 
falle zuzuschreiben, daß sie nicht heute im katholischen Heiligen- 
kalender prangen. Die fortgesetzte Polemik gegen die Natur blickt 
daher auch aus Meister Eckards Lehren überall hervor. Ja er hat 
den phantastischen Erzeugnissen überreizter Weibernerven ausdrücklich 
und in extravaganter Weise den Zoll seiner tiefen und ernstlichen 
Achtung entrichtet. Nur daß natürlich der speculative Gelehrte sich 
kei den Ergebnissen von Visionen und Träumen nicht beruhigen konnte. 
Eckard muß sich auseinandersetzen mit dem gegebenen Dogma. 
Er sucht einzudringen in das Geheimnis der Dreifaltigkeit. Jenes 
„Eins ist drei und drei ist eins“, das so vielen gelehrten und weisen 
Männern vor ihm schon so viel Kopfzerbrechens gemacht hatte, be- 
schäftigt auch ihn. Er stellt sich den Sohn Gottes wie das Spiegel- 
bild des Vaters vor, nur ein Bild von selbständiger Existenz: und 
der heilige Geist ist die Liebe, welche Gottvater und sein Abbild 
für einander tragen. Er denkt sich gleichsam einen Kreislauf des 
Lebens, ein ewiges Auseinanderströmen und Wiederzusammenströmen 
innerhalb der Gottheit. 
Eckard grübelt ferner über das Räthsel der Erlösung. Er sinnt 
nach über die beziehungsreichen Begriffe des Gottmenschen, 
Menschensohnes, des Mittlers zwischen Gott und Menschheit. Und 
das bringt ihn auf sehr verwegene Ideen. 
Wie verhält sich die Gottheit zur Welt? Sie ist nach Ecard
	        
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