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wort. Das Königl. Schloß zu Dresden hatte noch nie solch eine Scene
in seinen Mauern gesehen.
Die Nacht sank nieder und breitete ihren Friedensmantel über die
wildbewegte Stadt aus. Eine schöne, klare und ruhige Nacht, wie nur
ver Mai sie spendet, hauchte endlich Ruhe und Schlummer über die
ganze Gegend; doch in die Augen des Königs-Paares kam kein Schlum—
mer. Man war zu dem Entschluß gekommen, Schloß und Stadt zu
verlassen. Dies konnte nur im Morgengrau geschehen. Die Festung
Königstein, die so stolz thront am Elbufer auf hohem Fels bot in die—
ser Lage das einzig sichere Asyl. Die Minister stimmten bei. Die
Mitternachtsstunde fand den König und Seine Gemahlin im brünstigen
Gebet in ihrer Schloßkapelle und als die Glocke die dritte Morgen—
stunde verkündet hatte, schickte man fich zum Aufbruch an. Ein tiefes
Grau, nur von schwachen weißen Lichtstreifen im Osten erhellt, über—
lagerte die Stadt. Das grüne Thor, welches dicht bei der katholischen
Hofkirche nach dem Freiplatze vor dem Schlosse führt, öffnete sich leise.
Der König seine angstvoll zitternde Gemahlin am Arme führend, von
einigen Mitgliedern seines Hauses, den Ministern und dem dienstthuen-
den Personal gefolgt, nahmen schweigend den Weg nach der Brücke,
sorgsam jedes Geräusch vermeidend.
Welch ein Gang! mit welchen schmerzlichen Empfindungen wurde
er angetreten! Noch ruhte der Friedensengel über der in Morgendäm-
merung liegenden Stadt, nur wenige Stunden später und die Geister
des Entsetzens, des Brudermordes waren wieder entfesselt.
Jenseits der Elbe in der Gegend der Klostergasse lag ein Dampf-
schiff, das bereit war, die dem Schlosse Entwichenen aufzunehmen und
nach Königstein zu bringen. Das Schiff war mit 50 Mann Soldaten
bemannt. Es trug den König und sein Haus langsam und stolz strom-
aufwärts. Vom Elbberge her, wo sich ein Haufe Barrikadenhelden.
gelagert hatte, bemerkte man den Dampfer, ahnte aber nicht, wen er
barg. Deshalb begnügte man sich, ihm einige Schüsse zuzusenden, die
es jedoch nicht erreichten, mithin auch keinen Schaden thaten. Stumm,
im Gefühle tiefen Schmerzes begrüßten die Flüchtigen die aufgehende
Sonne, welche bald darauf das paradiesische Elbthal übergoldete. Wie
reich glänzte der weiße Blüthenschmuck der Bäume in dem rosigten
Lichte des jungen Tages!
Schöner Mai, du Wonnemond, der du einst die Geburt Friedrich
August's begrüßtest, ihm hattest du eine traurige Blüthenzeit im 52sten