Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

94 Die Winterschlacht in Masuren Februar /März 1915 
  
schwerer geworden, die Abgabe zu befürworten, wenn ich damals schon 
klar gesehen hätte, daß wir die vier Armeekorps bekommen würden. 
Ich kann auch nicht beurteilen, ob die Oberste Heeresleitung nicht 
jetzt schon in der Lage gewesen wäre, weitere Kräfte im Westen für den 
Osten freizumachen, wie sie es im April tat. Jeder Zuwachs wäre uns 
natürlich willkommen gewesen. Der große Entschluß, alles gegen Rußland 
einzusetzen, wurde erst später gefaßt. 
III. 
In dem polnischen Weichselbogen hatten inzwischen örtliche Kämpfe 
ihren Fortgang genommen. Wie weit dadurch die Aufmerksamkeit der 
Russen gefesselt wurde, war zweifelhaft. Im allgemeinen darf man 
sich von solchen Ablenkungen nicht viel versprechen, solange die feindlichen 
Truppen zuverlässig sind und halten. Erst wenn infolge von ungünsti- 
gen Erscheinungen die Führung sich unsicher fühlt, dann erlangen sie Be- 
deutung. Werden Demonstrationen zu taktischen Kampfhandlungen, die 
größere örtliche Erfolge zeitigen können, dann liegt die Sache schon anders. 
Um die Russen an die Fortsetzung des Angriffs glauben zu machen, 
sollte Ende Januar die 9. Armee in der Gegend von Bolimow mit Kraft 
angreifen. Die Oberste Heeresleitung stellte uns hierfür 18 000 Schuß, 
und zwar Gasmunition, zur Verfügung. Es ist charakteristisch für die Auf- 
fassung jener Tage, daß diese Munitionsmenge als etwas ganz Besonderes 
angesehen wurde. Im Osten haben wir nie Munitionsmangel gehabt, 
wir hatten stets so viel, wie bei den schlechten Wegen der Nachschub im Be- 
wegungskrieg leisten konnte, und im Stellungskrieg wurden damals noch 
keine großen Bestände niedergelegt. Im Westen aber lagen die Verhält- 
nisse anders; da mangelte es an Munition empfindlich. Alle kriegführen- 
den Nationen hatten ebensowenig die Wirkung des stark zusammengefaßten 
Artilleriefeuers wie den Munitionsverbrauch richtig eingeschältzt. 
Als Chef der Aufmarschabteilung im Frieden habe ich dauernd auf 
die Notwendigkeit hingewiesen, die Friedensmunitionsbestände so zu er- 
höhen und zu bemessen, daß sie bis zum Einsetzen der Mobilmachungs- 
lieferungen reichten. Ich bin nicht auch nur annähernd in dem gebotenen 
Umfange durchgedrungen. Ein Munitionsmangel wäre auch eingetreten, 
wenn man meine Anträge ausgeführt hätte; der Verbrauch war zu ge- 
waltig. Wir hätten die Krise aber eher überwunden und wären vielleicht 
mit der Munitionsanfertigung in die Vorhand gekommen, statt schließlich 
immer in der Hinterhand zu bleiben. Oberstleutnant Bauer hatte schon 
im Herbst 1914 verdienstvoll eingegriffen. 
Der Angriff der 9. Armee bei Bolimow fand am 31. Januar statt.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.