Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

108 Der Sommerfeldzug gegen Rußland 1915 
  
Armee des Generals Boroevic wurde über den Kamm zurückgeworfen, 
während weiter östlich die deutsche Südarmee standhielt. Es war jetzt 
der Augenblick gekommen, wo durchaus geholfen werden mußte. Wir 
setzten die bei der 9. Armee bereitstehende 25. Res. Div. mit der Eisenbahn 
in Bewegung. Sie kam noch gerade rechtzeitig, um das schlimmste Unheil 
zu verhüten. 
Der Obersten Heeresleitung meldeten wir unsere Maßnahme. Sie 
schloß sich unserer Auffassung an. Sie bildete das Beskiden-Korps unter 
dem General v. der Marwitz, der bisher das XXXVIII. R. K. bei uns ge- 
führt hatte. Der Oberbefehlshaber Ost gab außerdem noch die 4. und eine 
neugebildete Division zur Verstärkung der Karpathenfront ab. Die Lage 
dort blieb aber ernst. Gleichzeitig mußten wir Verstärkungen an die ser- 
bische Front senden. Sie unterstützten später den General v. Linsingen bei 
seinem Angriff im Mai. 
Die deutsche Oberste Heeresleitung faßte nunmehr den Entschluß, die 
Entscheidung gegen Rußland zu suchen. Der Plan war großzügig, der 
Gedanke, sich im Westen trotz der dort herrschenden Spannung zu schwächen, 
zeugte von großer Verantwortungsfreudigkeit. 
Seit den Kämpfen im November um Dypern hatte sich auf der ganzen 
Westfront der Schützengrabenkrieg entwickelt. Das Einstellen des Vor- 
marsches in Frankreich, das Zurückbiegen des rechten Flügels im Sep- 
tember und die geringen Ergebnisse der Kämpfe in Flandern hatten auf die 
Armeen des Westens einen starken Stimmungsdruck ausgeübt, der durch 
den Munitionsmangel noch verstärkt wurde. Ein Angriff des III. A. K. 
unter seinem verdienstvollen und bedeutenden Kommandierenden General 
v. Lochow bei Soissons im Januar hatte ungemein belebend gewirkt und 
ein gleich darauf folgender Angriff der Sachsen bei Craonne schöne Erfolge 
gezeitigt. In schwerem Ringen war es endlich gelungen, einen großange- 
legten Durchbruchsversuch der Franzosen in der Champagne im Februar 
und März zum Scheitern zu bringen. 
Auf seiten der Entente ruhte die Hoffnung auch weiterhin vorläufig 
allein auf Rußland. In England befanden sich die Kitchener-Armeen noch 
in Aufstellung; sie waren eine große Schöpfung eines bedeutenden Organi- 
sators. Von den 32 Divisionen konnten die ersten 12 vom Mai ab fertig 
sein. Der Kriegsbetrieb der Industrie der Entente erweiterte sich. Auch 
die Vereinigten Staaten traten als ihre Lieferanten auf. Wenn es uns 
auch zunächst durch wirtschaftliche Maßnahmen gelang, die Kriegsmaterial- 
ausfuhr aus Amerika zu erschweren, so konnte dies doch nicht von Dauer 
sein. In unserem schweren Kampf konnten wir diese Handlungsweise der 
Vereinigten Staaten nur als einseitige Begünstigung unserer Feinde auf- 
fassen; ihr Verhalten mußte tiefe Bitterkeit bei uns erzeugen.
	        
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