Die Kämpfe östlich der Weichsel 119
Die 9. Armee besetzte am 5. August die Hauptstadt Polens. Die Armee
schied aus unserem Befehlsbereiche aus und trat unmittelbar unter die
Oberste Heeresleitung. Generalfeldmarschall Prinz Leopold von Bayern
erhielt zugleich den Befehl über die Armeeabteilung Woyrsch. Die Oberste
Heeresleitung hatte sicher ihre guten Gründe zu dieser neuen Befehlsgliede-
rung. Für mich erwuchs hieraus keine Vereinfachung, um so mehr, als uns
die Etappe der 9. Armee unterstellt blieb. Auch für den weiteren Vor-
marsch mußte ich sehr viele Verabredungen mit dieser Armee unmittelbar
treffen. Die Bewegungen der 9. und 12. Armee berührten sich sehr nahe.
Die Oberste Heeresleitung war viel zu sehr beschäftigt, als daß ich sie mit
allen den sich hieraus ergebenden Einzelheiten behelligen durfte.
Die Einnahme von Warschau erfüllte uns mit besonderer Genug-
tuung. Hatten wir doch im Herbste 1914 schwer darum gerungen. Durch
jene Feldzüge war die Grundlage zu den jetzigen Erfolgen gelegt, für die
die Besetzung Warschaus das äußere Wahrzeichen bildete.
In den folgenden Tagen ging die Heeresgruppe Generalfeldmarschall
Prinz Leopold von Bayern zwischen Iwangorod und Warschau auf breiter
Front mit allen ihren Teilen über die Weichsel. Noch einmal versuchte die
Oberste Heeresleitung zu einer Umfassung zu kommen, indem diese Heeres-
gruppe auf Brest-Litowsk angesetzt wurde, während starke russische Kräfte
noch nördlich Lublin standen. Aber es war vergeblich. Der Russe wich aus.
Während der Generalfeldmarschall v. Mackensen Brest-Litowsk zustrebte,
wurde die Heeresgruppe Prinz Leopold gegen den Bug unterhalb der
Festung vorgeführt.
Nach dem Narewübergang der 12. Armee in den letzten Julitagen
waren die Augen des Generals v. Gallwitz scharf nach Süden gegen den
Bug gerichtet. Noch hoffte er zu einer Umfassung des damals bei Warschau
stehenden Feindes zu kommen. Er legte dementsprechend seinen Schwer-
punkt scharf auf seinen rechten Flügel nach Wyschkow zu gegen den Bug.
Wie ich befürchtet und das auch General v. Gallwitz vorgestellt hatte, er-
füllten sich die Hoffnungen nicht. Etwa vom 10. ab erhielt die 12. Armee
die ausgesprochene Marschrichtung nach Osten, mit ihrem rechten Flügel
bugaufwärts. Sie trat so in enge Beziehung zur 8. Armee, die nach dem
Fall von OÖstrolenka am 5. August mehr Gelände auf dem südlichen Narew-
ufer gewonnen hatte und nun mit dem Schwerpunkte auf Lomsha vorging.
Inzwischen waren Serotzk und Segershe, auch Dombe gefallen, die
Einschließung von Nowo Georgiewsk auf allen Seiten beendet. General
v. Beseler war vom Generalfeldmarschall mit der Einnahme der Festung
betraut worden. Die von der 9. und 12. Armee vor Nowo Georgiewsk ein-
gesetzten Truppen wurden ihm unterstellt. Auch erhielt er eine größere
Zahl schwerster österreichisch-ungarischer Steilfeuergeschütze.