Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

156 Das Hauptauartier des Oberbefehlshabers Ost in Kowno Oktober 1915 bis Juli 1916 
  
  
Die an und für sich schon unglückliche Eisenbahnlage wurde noch da- 
durch verschärft, daß die Betriebsverhältnisse, sowohl dem Personal wie 
auch dem Material nach, die denkbar schlechtesten waren. Die Bahnen hatten 
nur eine ganz geringe Nutzleistung, die den Bedürfnissen in keiner Weise 
entsprach. 
Versuche, den Euphrat und Tigris auszunutzen, hatten ein gewisses 
Ergebnis. Das Gesamtbild wurde dadurch nicht verschoben. 
Deutsche Lastkraftwagenkolonnen halfen die Schwierigkeiten mindern. 
Wegen der rückwärtigen Verbindungen war das Kriegführen in Klein- 
asien, Syrien und Mesopotamien so lange zur Erfolglosigkeit verurteilt, 
als es uns nicht gelang, die Verkehrslage zu heben. 
Die militärische Leistungsfähigkeit der Türkei in ihren Grenzprovinzen 
wurde noch dadurch eingeschränkt, daß die Kurden und Armenier an der 
kaukasischen Grenze, die Araberstämme in Mesopotamien und Syrien hin- 
ab bis Aden türkenfeindlich waren. Die Türken haben immer eine unglück- 
liche Eingeborenenpolitik getrieben. Sie haben nur genommen, nie ge- 
geben. Jetzt hatten sie mit jenen Stämmen als Widersachern zu rechnen. 
Durch ihre unentschuldbare Behandlung der Armenier beraubte sich die 
Türkei selbst der Arbeitskräfte, die sie unter anderem für den Bahnbau und 
die Bodenbestellung so dringend brauchte. 
Die türkischen Versuche, Tripolis und Benghasi zum Heiligen Krieg 
aufzurufen, hatten nur beschränkte Erfolge. Unsere U-Boote brachten 
Waffen dorthin und hielten eine gewisse Verbindung zwischen jenen 
Gegenden und der Türkei aufrecht. 
Eine Unternehmung gegen den Suezkanal im Januar, Februar 1915 
war gescheitert. Sie hätte nur dann Erfolg haben können, wenn gleich- 
zeitig die Senussi vom Westen her in Agypten eingefallen wären und die 
Agypter sich erhoben hätten. Das aber waren Utopien; die englische Herr- 
schaft sitzt fest in den Gebieten, die in ihrer Gewalt sind. 
An der Euphrat= und Tigrismündung schob sich England, auf das 
Meer gestützt, in Richtung Bagdad schrittweise vor. Es war dies türkischer- 
seits gar nicht zu verhindern gewesen. Im Dezember 1915 wurde wieder 
um Kut-el-Amara, Bagdad abwärts, gekämpft, dem sich das englische 
Expeditionskorps vorher bereits bedenklich genähert hatte. 
Die türkische Armee an der kaukasischen Grenze war im Winter 1914/15 
geschlagen worden. Sie verhielt sich seitdem abwartend. Trotzdem hatte sie 
namentlich durch Flecktyphus und Frost dauernd sehr starken Abgang. 
Die Ereignisse auf der Sinai-Halbinsel und in Mesopotamien be- 
rührten die OÖstfront nicht unmittelbar. Das Suez-Unternehmen wurde 
mit großem Interesse und mit viel Hoffnung verfolgt. Die Schwierig- 
keit der rückwärtigen Verbindungen, so wie ich sie kurz schilderte,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.