Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Die Lage an den türkischen Fronten 137 
  
waren mir damals noch nicht in vollem Umfange bekannt. Ich hielt 
namentlich die Zustände der Bagdadbahn für erheblich besser und vorge- 
schrittener, als sie es waren. Ob hier mehr hätte geschehen können, vermag 
ich nicht zu übersehen. 
Die Kämpfe an der kaukasischen Front brachten uns Rußland gegen- 
über nicht die Entlastung, die ich seinerzeit erhofft hatte. 
Durch die Besetzung der weiten Ostgebiete, durch die ÖOffnung der 
Balkan-Halbinsel und die Verbindung mit der Türkei hatte sich unsere kriegs- 
wirtschaftliche Lage erheblich gebessert, RKumänien war mit Lieferungen 
entgegenkommender geworden, da es seine Vorräte anderweitig nicht ver- 
äußern konnte. Das Jahr 1915 schloß mit einem Plus für uns ab. Für 
das kommende Jahr verstärkten wir uns, holten aber lange nicht alles 
Mögliche und Erforderliche aus der Heimat heraus. 
Die Rüstungen unserer Feinde nahmen ihren Fortgang. 
Die englischen Kitchener-Armeen festigten sich. Sie waren bereits 
größtenteils an der Westfront eingetroffen. Die englische Front hatte sich 
nach Süden zu verbreitert und Frankreich entlastet. Weitere Divisionen 
waren noch in England in Neuaufstellung. An Stelle der Werbung trat 
die Aushebung. Das englische Wehrgesetz wurde im Januar 1916 im 
Parlament angenommen. Auch England stellte sich damit als letzte euro- 
päische Macht auf den Boden der allgemeinen Wehrpflicht, die den Kriegs- 
notwendigkeiten und der sittlichen Forderung entspricht, daß jeder wehr- 
hafte Mann dem Staate mit der Waffe dient. Auf Irland dehnte England 
das Gesetz nicht aus. Das ist bezeichnend. 
Das französische Heer hatte seine alte Stärke behalten, das serbische 
wurde neu aufgestellt. Rußland griff unter dem Einfluß der Niederlagen 
tief in seinen bedeutenden Menschenreichtum hinein. 
Die Umstellung der Friedensindustrie Frankreichs, Englands, Japans 
und Amerikas hatte entscheidende Fortschritte gemacht. 
Gewaltige Kämpfe mußten im Jahre 1916 entbrennen. 
In diesem großen Rahmen weltgeschichtlicher Ereignisse treten die 
Begebenheiten in dem Befehlsbereich des Oberbefehlshabers Ost in den 
Hintergrund, nachdem sie seit November 1914 einen wesentlichen Teil, oft 
den entscheidenden, des ganzen Krieges gebildet hatten. Wir hatten nun 
mehr stille Arbeit zu leisten. 
II. 
Die Verhältnisse, in denen sich die Ostarmeen bei Abschluß der großen 
Operation befanden, waren nach jeder Richtung hin unfertige, ebenso be- 
durften die Zustände des Landes, das wir im Laufe der Ereignisse besetzt 
hatten, der Regelung.
	        
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