Geschichtliche Eindrücke 139
gen waren rechtzeitig in die Geschäftszimmer gelegt und die notwendigste
Ausstattung mit Möbeln ergänzt. Es war gar nicht zu vermeiden, daß
diese anderen Häusern entnommen wurden, die von der Bevölkerung ver-
lassen waren. Das geschah zwar so ordnungsmäßig wie möglich, aber es
kam doch vieles durcheinander. Das sind bedauerliche Zustände, die aber
der Krieg mit unerbittlicher Gewalt mit sich bringt. Die kriegführende
Macht oder den einzelnen Soldaten trifft dabei keine Schuld. Die Verhält-
nisse sind stärker als der Wille. Für den einzelnen Bewohner des fremden
Landes ist es allerdings gleich, auf welche Weise er sein Hab und Gut
verliert. Er versteht die Kriegsnotwendigkeiten nicht, und das Urteil über
die barbarische Kriegführung des Feindes ist dann schnell fertig.
In Kowno fanden wir genügend Möbel vor; als wir aber später nach
Brest-Litowsk gingen, standen wir vor leeren Baracken. Wir ließen daher
unsere Möbel zum Teil aus Kowno kommen, andere erhielten wir aus
anderen Orten. Der Krieg ist eben ein rauhes Handwerk.
In der Stadt besuchte ich häufiger den evangelischen Gottesdienst, den
Pfarrer Wessel in der ehemaligen orthodoxen Kirche, einem machtvollen
Bau russischer Zwangsherrschaft in jenen Landen, abhielt. Ich hörte dort
auf fremder Erde zum ersten Male als Kirchenlied die schöne, alte Weise:
Ich hab' mich ergeben
mit Herz und mit Hand
Dir Land voll Lieb’' und Leben
mein deutsches Vaterland.
Ich war tief ergriffen. Dies Lied sollte jetzt sonntäglich in allen Kirchen
gesungen werden und fest in jedes deutschen Mannes Herz einge-
graben sein.
III.
Die erste Arbeit galt der Festigung der Front und dem Streben, den
Armeen das Leben erträglicher zu machen. Auf unserem rechten Flügel
hatte die Heeresgruppe Prinz Leopold von Bayern den Abschnitt südlich
des Njemen bis südlich von Pinsk. Diese Heeresgruppe sowie der Ober-
befehlshaber Ost standen unter dem Befehl der deutschen Obersten Heeres-
leitung. Hieran schloß sich nach Süden die Front des k. u. k. Ober-
kommandos in Teschen mit der Heeresgruppe Linsingen auf dem linken
Flügel, der rechte stand hart an der rumänischen Grenze.
Im Befehlsbereich des Oberbefehlshabers Ost hatten sich die 12. und
8. Armee derart zusammengeschoben, daß nur für eine Armee Raum blieb.
Die 12. blieb bestehen, sie reichte vom Njemen bis über die Bahn Lida—
Molodetschno hinaus. General v. Gallwitz hatte das Oberkommando ab-