154 Das Hauptquartier des Oberbefehlshabers Ost in Kowno Oktober 1915 bis Juli 1916
Der Fischfang in den zahlreichen großen Landseen wurde verpachtet,
von Libau aus der Seefischfang organisiert.
Alles, was irgendwie für die Ernährung auszunutzen war, wurde ge-
wonnen.
Die Notlage der städtischen Bevölkerung war groß, wir mußten
sie im Winter 1915/16 durch Lieferungen aus den militärischen Proviant--
ämtern mildern. Später besserten sich die Verhältnisse erheblich. Die
Armee bekam ihr Teil, und auch der Heimat half ich. Ich entsinne mich,
wie Herr v. Batocki mich im Juni oder Juli 1916 anrief, ich möchte Berlin
helfen; ich war hierzu in der Lage.
Zur Unterstützung des Landes ließen wir die Tätigkeit von auswärti-
gen Unterstützungskomitees der im besetzten Gebiete vorhandenen Natio-
nalitäten zu; ich forderte nur, daß sie nicht einseitig bei der Hilfsleistung an
ihren Volksteil stehen blieben, sondern andere gleichfalls bedachten. Die
jüdischen Komitees, die über die meisten Mittel verfügten und sie auch aus
Amerika bezogen, haben großzügig und nutzbringend gewirkt. Ihre Tätig-
keit erwarb sich Anerkennung und bewies den starken Zusammenhang
dieses Volkes. Die erste jüdische Volksküche, die in Kowno entstand, trug
meinen Namen. Der Feldrabbiner Rosenack hatte mich darum gebeten.
In allen landwirtschaftlichen und Ernährungsfragen unterstützten mich
erfolgreich bewährte Kräfte: zuerst das bekannte Herrenhausmitglied
Major Graf BYorck v. Wartenburg, Geh. Reg. Rat Rittmeister v. Rümker
und später Hofkammerrat Major Heckel.
Die Aushebung der Pferde lag naturgemäß in militärischer Hand.
Die Kreishauptleute waren dabei ähnlich beteiligt wie der preußische Land-
rat. Das Land mußte uns viele liefern, wollten wir die Heimat nicht noch
schärfer beanspruchen. Das litauische Pferd ist klein, kräftig, bedürfnislos
und zäh, daher ein sehr brauchbares Militärpferd.
Das Land mußte die dauernd starke Inanspruchnahme, namentlich die
fortgesetzte Hergabe von Pferden und Vieh, schmerzlich empfinden. Die
örtlichen Verwaltungsbehörden haben oft darauf hingewiesen, aber es blieb
mir nichts anderes übrig, als die Lieferungen zu verlangen. Das von uns
verwaltete Land wurde nicht mehr beansprucht als andere Gebiete. Auch
die Heimat selbst litt unter solchen Maßnahmen. Ein großer Teil des später
zutage getretenen Unwillens erklärt sich aus diesen notwendigen militärischen
Anforderungen. Härten, die vorgekommen sein werden, mögen die Mißstim-
mung noch vermehrt haben, sie waren gewiß nicht gut. Der politisch-dema-
gogischen Verhetzung blieb es vorbehalten, jene Unzufriedenheit immer mehr
zu schüren.
Das Gebiet des Oberbefehlshabers Ost auf Kosten der Heimat aus
falschen Humanitätsgefühlen zu schonen, war ein Unding. Bei der hohen