Generalfeldmarschall v. Hindenburg 9
Ich kenne bei der Haltung der Feinde keine Gelegenheit zu einem
billigen und gerechten Verständigungsfrieden. Alles, was darüber münd-
lich oder in der Presse verbreitet wird, ist unrichtig. Die Regierung hat
der Obersten Heeresleitung nie eine solche Friedensmöglichkeit gezeigt.
Wir bätten gewiß jeden Augenblick einen Frieden haben können, so
wie wir ihn jetzt schließen müssen. Welcher Reichskanzler, welcher Staats-
mann, welcher deutsch denkende Mann hätte ihn gewollt? Einen anderen
Frieden gab es aber nicht, das konnten alle genau wissen, und darum mußten
wir auf Sieg kämpfen, nachdem nun einmal der Krieg begonnen hatte.
Graf Czernin dachte schließlich ähnlich wie ich, wenn er sich auch der
Wahrheit verschloß. Er sagte in seiner Nede vom 11. Dezember 1918:
„Immer war die Situation nur die, daß wir in einem denkbar gün-
stigen militärischen Momente einen Frieden hätten vorschlagen könmen,
welcher, mit bedeutenden Opfern verbunden, vielleicht die Hoffnung gehabt
hätte, von den Feinden angenommen zu werden. Die deutschen Militärs
aber wurden, je glänzender ihre Erfolge waren, desto anspruchsvoller, und
weniger denn je war es möglich, sie nach großen Siegen zu einer solchen
Verzichtpolitik zu bewegen.
Ich glaube übrigens, daß es einen einzigen Moment in der Geschichte
dieses Krieges gegeben hat, in dem eine solche Demarche wirklich sehr hoff-
nungsvoll schien, das war nach der berühmten Schlacht von Gorlice."“
Die Schlacht von Gorlice war im Mai 1915. Später lag also — nach
Graf Czernins Ansicht — nicht einmal mehr die Möglichkeit eines Friedens
selbst unter bedeutenden Opfern vor. Und hätte sie wirklich im Mai 1915
oder später bestanden: nicht nur die deutschen Militärs, sondern fast das.
ganze deutsche Volk würde einen solchen Frieden abgelehnt haben, solange
es noch im stolzen Selbstvertrauen Kraft zum Kampf fühlte! Dieses Selbst-
vertrauen und diese Kraft mußten die Staatsmänner stählen, um das
Vaterland zum Siege zu befähigen und vor einer Niederlage mit ihrem
unermeßlichen Unheil zu bewahren. Ein Mittelding gab es eben nach dem
Willen unserer Feinde nicht. Unser Wille spielte demgegenüber gar keine
Rolle. Noch war der des Feindes nicht gebrochen. War dies durch den
militärischen Sieg endgültig geschehen, dann konnten die Diplomaten von
Versöhnung sprechen — wenn sie es dann noch wollten.
IV.
Vier Jahre haben wir in tiefster Harmonie wie ein Mann zusammen-
gearbeitet, der Generalfeldmarschall und ich. Ich sah es mit tiefinnerer
Genugtuung, daß er die Idealgestalt dieses Krieges für das deutsche Volk,
die Verkörperung des Sieges für jeden Deutschen wurde.