Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

170 Das Hauptquartier des Oberbefehlshabers Ost in Kowno Oktober 1915 bis Juli 1916 
  
widrigen Maßnahmen den Hungerkrieg gegen Deutschland und Österreich- 
Ungarn eröffnet. Die Mürge= und Hungerblockade sollte den Körper 
schwächen und damit den Geist reif machen für das Gift der Propaganda. 
England verfolgte noch ein anderes Ziel: den Kampf gegen das Kind im 
Mutterleibe, um ein physisch minderwertiges Geschlecht in Deutschland ent- 
stehen zu lassen. Ein furchtbarer Kampf, wie er grauenhafter nicht gedacht 
werden kann. England handelte mit lückenloser Folgerichtigkeit, wie schon 
oft in seiner grausamen Geschichte. In schrittweisem Vorgehen und ziel- 
sicher unterdrückte die englische Regierung durch die orders in council vom 
20. August und 29. Oktober 1914 sowie durch besondere wirtschaftliche und 
militärische Maßnahmen jede unmittelbare Zufuhr über See nach deutschen 
Häfen, jeden Einfuhrhandel über neutrale Länder und schließlich auch den- 
jenigen mit den Erzeugnissen des neutralen Landes selbst. Der Trumpf 
war die Erklärung der Nordsee zum Kriegsgebiet am 2. November 1914. 
Dadurch wurden die nördlichen Zugänge zur Nordsee völlig abgesperrt und 
der neutrale Seehandel zur Fahrt durch den Kanal, dicht unter der englischen 
Küste und weiter auf einem einzigen Wege gquer über die Nordsee ge- 
zwungen. Und doch hatte England zu Kriegsbeginn erklärt, daß es grund- 
sätzlich die Festsetzungen der Londoner Deklaration als Norm seines Han- 
delns anerkennen wolle; auch war seine Haltung in der Zeit vor dem Kriege 
eine ganz andere gewesen. 
Durch die Kriegsgebietserklärung hatte es nunmehr offen zum Ausdruck 
gebracht, daß es sich durch die Regeln des Kreuzerkrieges nach Prisenordnung 
nicht mehr für gebunden hielt und jedes, also auch ein gewaltsames Vorgehen 
gegen die Schiffahrt im Kriegsgebiet für gerechtfertigt erachtete. Damit war 
Deutschland blockiert, ohne daß eine rechtsgültige Blockade bestand. Sie war 
allein schon deshalb im Sinne des Seekriegsrechts unwirksam, weil England 
den Verkehr in der Ostsee nicht verhindern konnte. 
Die deutsche Sperrgebietserklärung vom 4. Februar 1915 war nichts 
anderes als eine dem englischen Vorgehen wesensgleiche Maßnahme. Sie 
gab England Anlaß zu einer weiteren Verschärfung des Wirtschafts- 
kampfes gegen die Mittelmächte. Mit der sogenannten Blockadeorder vom 
11. März 1915 bestimmte es, daß jedes von Deutschland kommende oder 
dorthin gehende Schiff beschlagnahmt würde. Alle nach Deutschland be- 
stimmten und von dort ausgeführten Waren und ebenso alle Waren 
deutschen Eigentums oder solche deutschen Ursprungs, selbst wenn sie neu- 
trales Eigentum waren, durften von nun an auch von neutralen Schiffen 
weggenommen werden. Dies war ebenfalls eine unerhörte Beugung des 
Rechts durch die Macht. England half sich damit, das Vorgehen als eine 
Repressalie gegen den im Februar 1915 eröffneten U-Bootkrieg zu be- 
zeichnen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.