Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

In Brest-Litowsk 183 
  
ihrer Größe anspruchsvoll, und dann gab es auch noch zu schreiben. 
Ich habe Oberstleutnant Hoffmann bewundert, wie er mit seinem soge- 
nannten Salon auskam; noch weniger Raum hatten die anderen Herren, 
und dazu brannte die Sonne erbarmungslos auf die Dächer der Wagen 
und machte den Aufenthalt unerträglich. Ich beschloß deshalb, sobald als 
möglich den Zug zu verlassen, und schlug dem Generalfeldmarschall Brest- 
Litowsk selbst als Quartier vor. Die Herren des Stabes bekamen einen 
gelinden Schreck. Die vollständig ausgebrannte Stadt kam überhaupt nicht 
in Frage, die Zitadelle war ein kleines Gefängnis. Der Kommandant der 
Festung hatte dort seine Wohnung und seine Arbeitsräume eingerichtet, 
aber nicht die Arbeitskräfte gehabt, die Zitadelle auch nur einigermaßen auf- 
zuräumen. Alles war verwildert und verwachsen, nichts war seit langem 
geschehen, die Brennessel gedieh jetzt zu gewaltiger Größe. Die Luft war 
feucht und dumpfig. Baracken waren erhalten, doch ohne jedes Möbelstück. 
Aber es nutzte nichts, ein Entschluß mußte gefaßt werden. Ich ordnete die 
Einrichtung des Hauptquartiers in der Zitadelle an. Natürlich dauerte es 
geraume Zeit, bis alles fertig war und wir aus dem Zuge erlöst wurden. 
Ich bin gern in Brest gewesen und aus der Zitadelle nicht heraus- 
gekommen. Die selten schönen, hohen Weiden, die mit ihrem Geäst tief in 
die Gewässer herabhingen, die die Zitadelle durchströmen, und einige kurze 
Alleen gaben dem Ganzen einen freundlichen Charakter. Außerhalb der 
Festung war Einöde; die schmucklosen, aber so wichtigen Bahnanlagen und 
die verbrannte Stadt boten wenig Anziehungspunkte. 
Ich ließ die Baracken von dem sie umgebenden Gestrüpp freilegen, 
daß die Luft an die Mauern herantreten und ihnen die dumpfe Feuchtig- 
keit nehmen konnte; auch Bäume wurden gefällt und Aste ausgeschlagen, 
um der Sonne und der Luft Zutritt zu geben. Ich hatte an dem Inord- 
nungbringen Freude. 
Zur Festigung der österreichisch-ungarischen Front gehörten deutsche 
Truppen. Die frühere Front des Oberbefehlshabers Ost war bereits derart 
ausgeplündert, daß ihr zunächst nicht viel zu entnehmen war. Der schwere 
Angriff südlich Riga war eben erst abgeschlagen. Seine Wiederholung blieb 
möglich. Wir machten noch wenige Kavallerie-Regimenter sowie eine ge- 
mischte Abteilung in Stärke von 3 Bataillonen und einigen Batterien unter 
General Melior frei. Diese hatten wir bereits der k. u. k. 2. Armee zu- 
gesagt. Sie wurde sofort dorthin gefahren. Unsere einzige Reserve für eine 
Front von etwa 1000 km bestand demnach nur in einer durch Artillerie 
und Maschinengewehre verstärkten Kavallerie-Brigade — kein beneidens- 
werter Zustand, wenn man täglich darauf gefaßt sein mußte, an weit ent- 
legenen Stellen auszuhelfen. Es ist aber doch ein Zeichen dafür, was wir 
Deutschen geleistet haben.
	        
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