190 Der Entente-Ansturm im Herbst 1916
den Vernichtungswillen des Feindes für geboten, die physischen, wirtschaft-
lichen und sittlichen Kräfte des Vaterlandes zu höchster Entfaltung zu
bringen. Die Oberste Heeresleitung stellte ihre Forderungen an die Reichs-
regierung nach Menschen, Kriegsmaterial und seelischer Kraft.
Bei den Verbündeten wirkten wir so gut es ging, in gleichem Sinne.
Österreich-Ungarn hatte bereits seine Landsturmpflicht auf das 55., die
Türkei die Dienstpflicht auf das 50. Lebensjahr heraufgesetzt und damit ihre
Menschenkräfte, wenigstens auf dem Papier, bis aufs äußerste ausgenützt.
In dieser Lage mußte die Oberste Heeresleitung mehr denn je auch
daran denken, Zuschuß an Kraft aus den besetzten Gebieten zu bekommen.
Das waren die entscheidenden Wechsel der Obersten Heeresleitung auf
die Zukunft.
Der Chef des Admiralstabes trat für die Führung des U-Bootkrieges
in uneingeschränkter Form ein, die auch neutrale Schiffe im Sperrgebiet
traf. Das war die wirksamste Hilfe, die die Marine der schwer ringenden
Armee geben konnte. Ob die feindlichen Seestreitkräfte sich noch einmal zur
Schlacht stellen würden, war zweifelhaft; ein Versuch, sie herbeizuführen,
blieb im August erfolglos. Feindliche Minensperren engten die Bewegungs-
freiheit unserer Hochseeflotte immer mehr und mehr ein und erschwerten
ihre Verwendung. Die Frage des uneingeschränkten U-Bootkrieges wurde
auf Wunsch des Reichskanzlers bereits am 30. August besprochen. Dem
Generalfeldmarschall und mir mußte daran gelegen sein, daß nicht Teile
unserer Wehrkraft in der Marine während des Völkerringens einfach brach
lagen. Das Freihalten der Ostsee und das Marinekorps in Flandern boten
dem Heere nicht genügende Unterstützung durch sie, während die Kriegfüh-
rung der Entente in ihren Marinen entscheidende Förderung fand. Nur mit
tiefstem Bedauern konnten wir uns nicht für die uneingeschränkte Führung
des U-Bootkrieges aussprechen, da er nach Urteil des Reichskanzlers den
Krieg mit Holland und Dänemark möglicherweise zur Folge haben würde;
wir hatten zum Schutz gegen beide Staaten nicht einen Mann zur Ver-
fügung. Sie waren in der Lage, mit ihren zwar nicht kriegsgewohnten
Armeen in Deutschland einzurücken und uns den Todesstoß zu geben. Wir
wären besiegt worden, noch bevor die von der Marine in Aussicht gestellte
Wirkung des uneingeschränkten U-Bootkrieges eingetreten wäre.
Die Besprechung gab aber Veranlassung, auch unsere Grenzverhältnisse
gegen Dänemark und Holland zu überprüfen. Das in Hamburg befindliche
Oberkommando Nord erhielt Befehl, Stellungen an der dänischen und
holländischen Grenze auszubauen. Der Generalgouverneur in Brüssel
wurde gebeten, den bereits in schwachen Anfängen vorhandenen Stel-
lungsbau an der belgischen Nordgrenze zu fördern, soweit es mit seinen
Arbeitskräften möglich war.