200 Der Entente-Ansturm im Herbst 1916
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bald beide weit genug vorgeschritten waren, mußte man mit dem Vor-
dringen des Feindes nach Palästina hinein rechnen.
Der türkische Erfolg bei Kut el Amara hatte keine Folgen gehabt. Der
Engländer bereitete ein neues Unternehmen gegen Bagdad, diesmal an-
scheinend gründlich, vor. Auch hier waren früher oder später neue Kriegs-
handlungen zu erwarten.
Beide Unternehmungen mußten erfolgreich sein, wenn der Engländer
an sie, wie es jetzt schien, mit Ernst heranging. Aber er mußte um so mehr
Truppen dabei einsetzen, je nachhaltiger der türkische Widerstand war. Da-
mit wurde der Wert der türkischen Armee auch für uns mittelbar von der
allergrößten Bedeutung. Wir wurden im Westen um so schärfer entlastet,
je tapferer sich die Türkei in Palästina und Mesopotamien wehrte, und je
mehr Truppen der Engländer dorthin schicken mußte, um seine Ziele zu
erreichen. Allerdings hatte er in den indischen Truppen Kräfte verfüg-
bar, die er nicht gern in Frankreich einsetzte und deren Verwendung gegen
die asiatische Türkei unserer Lage im Westen nicht zugute kam. Es ver-
mehrte aber doch die militärische Beanspruchung der Briten.
Die türkischen Unternehmungen in Persien in Richtung Hamadan
waren Episoden und ohne Bedeutung für die Kriegführung.
Im östlichen Kleinasien, west= und südwärts der Linie Trapezunt—
Erzingjan—Musch standen die Russen und Türken einander gegenüber,
ohne sich etwas zu tun. Beide Armeen scheinen in ihren Ständen ganz
außerordentlich gemindert gewesen zu sein. Was von den Türken eigentlich
tatsächlich da war, habe ich nie ermitteln können. Mit großen russischen
Angriffen wurde nicht mehr gerechnet, dazu war auch für Rußland der
Kriegsschauplatz zu schwierig.
Die türkische Armee war verbraucht. Auch sie hatte den Balkan-
krieg noch nicht verwunden, als sie von neuem in den Krieg trat. Ihre
Verluste durch Krankheiten und auf den Schlachtfeldern waren dauernd
groß. Der gute, tapfere Anatolier verschwand aus der Truppe. Der
unzuverlässige arabische Ersatz nahm besonders in Mesopotamien und
Palästina einen immer breiteren Raum ein. Die Truppen erreichten
nicht mehr die vorgeschriebenen Stärken, sie waren schlecht verpflegt und
noch schlechter ausgestattet. Der Mangel an brauchbaren Offizieren
war besonders empfindlich. Liman Pascha versuchte, gestützt auf sein
Ansehen, aus seinen Divisionen immer wieder brauchbare Kampfkörper
zu bilden. Er erreichte, was möglich war. Kamen die türkischen Truppen
aus seiner Hand wiederum unter deutschen Oberbefehl, wie nach Galizien
oder gegen Rumänien, so leisteten sie Leidliches, auch Gutes, kamen sie
unter ein türkisches Kommando, so verlernten sie sehr bald, was deutscher
Ernst sie gelehrt hatte.